Umbauten Pfarrkirche St. Anton
Innenansicht nach vorne
Renovierungen und Umgestaltungen nach 1967
Wie jedes andere Haus unterliegt auch das „Haus Gottes“ einem
Alterungs- und Abnutzungsprozeß. Die ästhetischen Vorstellungen
wandeln sich ebenso wie die liturgischen Formen.
Dementsprechend werden von Zeit zu Zeit Reparaturen und
Renovierungen, ja sogar Um- und Neugestaltungen liturgischer
Räume vorgenommen. Auch und gerade St. Anton war in
einschneidender Weise davon betroffen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es vor allem, die durch
Fliegerangriffe entstandenen Schäden auszubessern, den Bestand
zu restaurieren und technische Anlagen sowie die Orgel zu
modernisieren.
Im großen und ganzen behielt die Kirche allerdings ihre
ursprüngliche Gestalt bei, bis die Liturgiereform des
II.Vatikanischen Konzils neue Ideen zum Vorschein kommen ließ.
Seit 1967 gab es Gedanken und Pläne zu einer Neugestaltung
des Kirchenraumes von St. Anton; als geistige Väter sind hier der
damalige Pfarrer Anton Geyer, der Baureferent Domkapitular Pletl
sowie die Gebrüder Franz und Leopold Hafner zu nennen. Nach den Entwürfen der letzteren wurde schließlich im Jahre 1969 die
Renovierung durchgeführt. Sie hatte eine erhebliche „Ernüchterung“ des Raumes — dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend – zur Folge. So wurden aus der Kirche entfernt: der Hochaltar, die Kommunionschranke, die Seitenaltäre, die Kanzel, die Beichtstühle, die Gitter vor den Seitenkapellen, deren Einrichtung sowie fast alle Buntglasfenster. Die Oratorienfenster ließ man zumauern, die quadratischen Durchlässe zu den Seitenkapellen hin ebenso wie zu den Eingängen sollten offen und die entsprechenden Durchgänge freibleiben. Die Anordnung der nunmehr abgebeizten Bänke veränderte sich: ab dem westseitigen Beginn des zentralovalen Hauptschiffs wurden sie auf Holzfußböden in Blöcken und gegeneinander versetzt raumfüllend angebracht. Auf der nun konvex ins Oval hinein verlängerten Presbyteriumsebene stellte man einen Mittel- oder Volksaltar sowie seitlich davon einen Ambo auf, die der Bildhauer Leopold Hafner aus dunkelgrauem Treuchtlinger Marmor schuf.
Aus seiner Werkstatt stammte auch der auf einer Art Lebensbaum
aufruhende weltkugelförmige Bronzetabernakel, der seinen Platz in der ehemaligen (nördlichen) Taufkapelle fand. Das alte Taufbecken aus rotem Untersberger Marmor bekam einen neuen Ort in der Apsis des Presbyteriums. Die Apsidennische nahm als einzigen bildlichen Schmuck des Chorraums das große Kreuz – allerdings ohne die Schmerzensmutter – auf. Die Apostelleuchter wurden ebenfalls im Chorraum und die Kreuzwegstationen neugerahmt am heutigen Ort angebracht. Neue Beichtstühle fanden im Eingangsbereich der Kirche Platz. Da die Raumschale möglichst in ihrer architektonischen Gestalt zur Geltung kommen sollte, wählte man eine schlichte Farbgebung vor allem in Weiß‑, Grau- und Gelbtönen. Dem gleichen Bedürfnis entsprachen die von Leopold Hafner entworfenen Kirchenfenster mit teils lebhafteren, teils
ruhigeren Mustern aus polygonalen Weißglasscheiben (Abb. 3).
Seit Anfang der 70-er Jahre besaß nun auch St. Anton seinen unter Pfarrer Josef Krumbachner vollendeten, modernisierten
Kirchenraum, in dem eine den Reformen des Konzils gemäße
Liturgie gefeiert werden konnte. Im Laufe der Jahre wandelte sich
aber – auch unter dem Druck der nach mehr Gemütswerten
verlangenden Pfarrbevölkerung — sein inneres Erscheinungsbild
wieder. Das Anbringen verschiedener Bilder und Figuren (auch aus den ursprünglichen Beständen) war der Versuch, die sinnlich
weniger ansprechende „Nüchternheit“ der Kirche zu beseitigen. Dies führte bis in die 90erJahre hinein zu stilistischen und liturgischen Ungereimtheiten, die aber ihrerseits den Gedanken an eine erneute, grundlegende Renovierung aufkommen ließen. Eine der Zielvorstellungen war, den Kirchenraum weitgehend wieder in den
Originalzustand rückzuführen. Man ging behutsam voran, kam aber über die Außenrenovierung und die Restauration der Orgelempore samt Instrument (von 1964) und Prospekt nicht hinaus.
Erst mit dem Pfarrerwechsel 1994 und irreparablen Schäden am
Heizsystem kam das Renovierungsprojekt wieder in Schwung. In
einem ab Winter 1995 auf allen Ebenen – vom Pfarrangehörigen bis zur Diözesanleitung – intensiv und gründlich geführten Diskussions‑, Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß wurde schließlich das von Pfarrer Dr. Josef Wimmer vorgeschlagene Konzept angenommen. Seine Grundzüge lauteten: Plazierung von Altar und Ambo an zwei Polen des zentralen ovalen Mittelraums, Anordnung der Sitzgelegenheiten sowie der Sedilien im Oval um diese beiden Pole, Verlagerung des Taufbeckens in die westliche Eingangshalle, Einrichtung von Beicht- und Gesprächsräumen, Schaffung von
abgegrenzten Raumeinheiten für die private Andacht und Anbetung.
Diese Grundzüge stellen eine konsequente Anwendung der
Konzilsdekrete des II.Vatikanums über die Erneuerung des
Gottesdienstes dar. Zum Konzept des Renovierungsprojektes
gehörte aber auch der Grundsatz „Tradition wahren und Neues wagen“. Ihm zufolge sollten ursprüngliche ästhetische Gestaltungen wiederhergestellt und mit zeitgenössischen Formen verbunden werden. Eine formal strenge, aber doch edle und ausgewogene „Möblierung“ des künftigen zentral-ovalen liturgischen Feierraums sollte mit der in der. Das Renovierungsmodell (Pfarrarchiv) und erster Probegottesdienst im Stuhloval ursprünglichen Fassung wieder herzustellenden Raumschale, den wiedergeöffneten und neu zu gestaltenden Oratorienfenstern und nicht zuletzt dem erneut zu errichtenden Hochaltar ein Ensemblebilden, das eine zwar harmonische, aber doch nicht spannungsfreie Synthese zwischen Althergebrachtem und Zeitgenössischem ergibt.
Nicht zuletzt wurde die optimale technische Ausrüstung der Kirche
(Heizung, Elektronik, Licht, Akustik etc) zur Maxime des Projektes
erhoben.
In enger und wahrhaft kongenialer Zusammenarbeit der pfarreiseits Verantwortlichen und Gremien mit dem Künstler Friedrich Koller aus Laufen, dem Architekturbüro hiendl & partner aus Passau sowie mit dem Diözesanbauamt (Diözesanbaumeister Lechner und Domkapitular Gabriel) wurde die Realisierung des
Renovierungskonzeptes projektiert und ab Frühsommer 1998
konkret in Angriff genommen. Die Maßnahme wurde plangemäß
abgewickelt, so daß Bischof Franz-Xaver Eder am 13.Juni 1999
(Pfarrpatrozinium) den neugestalteten Kirchenraum benedizieren
und den Altar konsekrieren konnte.
© Dr. Josef Wimmer
Kirchenumbau 1999
Das Konzept der Innenrenovierung von St.Anton
Das verwirklichte Konzept der Innenrenovierung unserer Pfarrkirche sieht folgende Elemente oder Maßnahmen vor, die durchwegs miteinander zusammenhängen und ein stimmiges Ganzes ergeben:
Einbau einer neuen Heizung (sog.Temperiersystem), Wiedereröffnung der Oratorienfenster, Wiederherstellung der ursprünglichen Stufenanordnung Richtung Presbyterium, Schaffung eines nördlichen Zugangs zur Kirche (alle drei Zugänge werden durch Windfänge im Kircheninneren abgedichtet), Abriß der Beichtstühle und Reaktivierung des in die Rückwand eingelassenen Beichtstuhles zu einem kleinen Beichtzimmer, Etablierung eines größeren Beichtzimmers im nordwestlichen Oratorium, Anbringung eines umfangreicheren Schriftenstandes am rückwärtigen Haupteingang der Kirche, Versetzung des Taufbeckens an den westlichen Scheitelpunkt des zentralen Ovals, Neuaufstellung von im Oval geschwungenen Bankreihen (jeweils drei Blöcke zu drei Reihen mit Sitzpolstern und Kniebänken), Dreisitzer-Bänke in frontaler Anordnung im rückwärtigen Teil der Kirche, Verglasung der großen Öffnungen unter dem SW bzw. NW-Oratorien, Verlegung eines neuen Steinfußbodens, Aufhängung der Kreuzwegstationen am bisherigen Ort; darüber, den bestehenden Fenstern vorgelagert, Anbringung der ursprünglichen Glasmalerei in eigenen Rahmen, Gestaltung der südlichen Seitenkapelle als Marienkapelle (mit Maria-Hilf-Bild), der nördlichen als Antoniuskapelle (mit Antoniusfigur), Errichtung eines neuen Altars und Ambos an zwei Polen des durch die Bankreihen ausgesparten inneren Ovals (Altar um eine, Ambo um zwei Stufen erhöht), Abgrenzung dieses inneren Ovals durch eine Art Lichtzelt, das mit Hilfe von Kugelleuchten geschaffen wird, welche an einem von der Decke hängenden ovalen Ring befestigt sind, Errichtung des Priestersitzes am presbyterialen Scheitel der ovalen Bankreihen; Errichtung eines “Kreuzvorhang” genannten, metallgeflochtenen Paravents am presbyterialen Scheitel des ovalen Zentralraumes, Wiederaufstellung des im Schnitzwerk leicht vereinfachten Hochaltars, davor drei Reihen Kniebänke, optimale Ausleuchtung des Raumes sowie einzelner Raumeinheiten (nach unten wie nach oben, sämtlich stufenlos dimmbar), Schaffung von Vorrichtungen für Projektionen von Dia’s und Video’s, optimale Beschallung des Kirchenraumes.
Nach dieser Aufzählung der einzelnen Elemente und Maßnahmen soll nun deren konzeptueller Zusammenhang erläutert werden, und zwar nach folgenden drei Gesichtspunkten:
1) liturgisch-theologisch, 2) ästhetisch-künstlerisch, 3) technisch-praktisch.
Der liturgisch-theologischen Perspektive ordnet sich die gesamte Renovierungsmaßnahme unter. Sie stellt sich wie folgt dar: In bewährter katholischer Weise gehen die Wahrung der Tradition und die Bereitschaft zur Reform Hand in Hand. Die Wahrung der Tradition wird sichtbar, indem wir wesentliche Bestandteile der Kircheneinrichtung vor 1970 wieder aufgreifen, so z.B. den Hochaltar. Die Tatsache, daß wir das Allerheiligste dort im Tabernakel unterbringen, bedingt zugleich die neue Funktion des Presbyteriums als Ort der Andacht und der stillen Anbetung.
Als Orte der privaten dienen auch die beiden Seitenkapellen mit Marienbild und Antoniusfigur. Der Tradition folgen wir, indem wir den Kreuzweg aufhängen, der herkömmlichen Beichtpraxis einen Platz einräumen und nicht zuletzt, wenn wir in allem die Würde eines Gotteshauses wahren, so z.B. in der Wahl edler Materialien und Formen. Die einschneidenden Veränderungen des Kircheninneren, die Anfang der 70er Jahre vorgenommen wurden, bleiben insofern erhalten, als sie die Ausgangsbasis für unsere jetzigen, teils restaurativen Maßnahmen darstellen. Was aber damals sinnvollerweise entfernt wurde, wird nicht wiederhergestellt.
Unsere Bereitschaft zur Reform zeigen wir in konsequenter Treue zum II. Vatikanischen Konzil. Dieses hat die Erneuerung des Gottesdienstes im ersten Konzilsdokument (Sacrosanctum Concilium) an die vorderste Stelle der angestrebten Erneuerung des gesamten kirchlichen Lebens gestellt. Die zugrundegelegte Theologie der gottesdienstlichen Vollzüge faßt der Liturgiewissenschaftler Prof.Gerhards (vgl. dazu: Albert Gerhards: In der Mitte der Versammlung – Liturgische Feierräume) so zusammen: “Wesen des christlichen Gottesdienstes ist die Verherrlichung Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist — ein Nachvollziehen der Bewegung, die Gott selber ist. So, wie Gott zu uns Menschen gesprochen hat und spricht, sprechen wir mit ihm. Die feiernde Gemeinde ist niemals Selbstzweck, der um sich selbst kreist, sondern ist verwiesen auf den ganz Anderen, auf Gott. Daher ist auch nicht einfach Christus die Mitte des Gottesdienstes, erst recht nicht die eucharistischen Gaben, die ihn vergegenwärtigen, sondern die wechselseitige Bewegung von Gott und Menschen durch Christus im Heiligen Geist. Mitte des Gottesdienstes ist also die heilige Handlung, der gnadenhafte Wesensaustausch zwischen Gott und Mensch. Dies geschieht in unterschiedlichen Vollzügen. Die Gemeinde bildet den Raum, Gottes heiligen Tempel, in dem der Geist wohnt (1 Kor 3,16), die Versammlung, in der Christus gegenwärtig wird (Mt 18,20), um den priesterlichen Dienst der Vermittlung zu leisten. Gegenwärtig ist Christus auf verschiedene Weise: in der versammelten Gemeinde und ihrem geweihten Vorsteher, in den Gestalten des Wortes und der eucharistischen Gaben (Sacrosanctum Concilium Nr.7).” Die Erfahrung dieser vierfachen Weise der Gegenwart Christi soll durch unsere neue Anordnung von Altar, Ambo, Gemeindebänken und Priestersitz erleichtert werden. “Christus ist gegenwärtig, wo die Kirche betet und singt” (SC7), d.h. die Gemeinde ist Trägerin der Feier. Und die Gläubigen — so SC10 — sollen voll und tätig teilnehmen (participatio actuosa), bewußt und mit geistlichen Gewinn (SC11).
Sie sind nicht passive Zuschauer eines heiligen Geschehens, sondern aktiv Mitwirkende im “gnadenhaften Wesensaustausch zwischen Gott und Mensch”. Als solche brauchen sie die Nähe zu den Orten, an denen sich dieser Wesensaustausch, diese Communio, konkretisiert; und sie brauchen die Nähe zu einander, die Möglichkeit, communio auch untereinander zu erfahren. Dies verwirklichen wir in der ellipsenförmigen Anordnung der Bankreihen um einen liturgischen “Ereignisraum”, der sowohl den Altar (“Tisch des Brotes”) und den Ambo (“Tisch des Wortes”) als auch einen zwischen diesen beiden Polen befindlichen “Freiraum” umfaßt Die “actuosa participatio” der Gläubigen äußert sich natürlich nicht nur in deren Gebet, Gesang, Zeichenhandlungen und Ausdrucksformen; einzelne und beauftragte Mitfeiernde treten auch hervor, um ihren Dienst als Lektor, Kantor, Kommunionhelfer, Ministrant usw. zu vollziehen. Alle Mitfeiernden verwirklichen so, getreu der Liturgiereform, das ihnen Kraft der Taufe verliehene allgemeine Priestertum.
Darin stehen sie mit dem Vorsteher der Feier auf gleicher Stufe, dessen Position sich daher räumlich inmitten der versammelten Gemeinde befindet. Der Priester hat aber darüberhinaus in der Gemeinde und für sie einen besonderen Dienst zu leisten, für den er geweiht und beauftragt ist. Dies wird nicht nur in seinem hervorgehobenen Sitz deutlich — als Priester repräsentiert er ja Christus in personaler Weise -, sondern auch darin, daß er im Verlauf der Feier auf unterschiedliche Weise heraustritt, um z.B. am Altar oder am Ambo oder auch am Priestersitz selbst seinen besonderen priesterlichen Dienst wahrzunehmen.
Im mittigen liturgischen Ereignisraum werden die heiligen Handlungen vollzogen. In ihm ist räumlich als Zentrum erfahrbar, was in der Feier der Liturgie geschenkt wird. Er ist Mitte als Ort der Hinwendung, als Ort, an dem sich Gott “ereignet”. Als Ellipse besitzt diese Mitte Brennpunkte und einen Schwerpunkt. Die beiden Brennpunkte der Ellipse werden in unserem Fall von Altar und Ambo besetzt, auf die sich jeweils die Aufmerksamkeit der Gläubigen hinordnet. Nach den Festlegungen des II.Vaticanums (vgl.Allg.Einführung ins Meßbuch, AEM) bilden Wortgottesdienst und Eucharistiefeier die beiden Hauptteile jenes “einzigen Kultaktes”, den wir die heilige Messe nennen. Von daher ergibt sich schon laut AEM eine doppelte Zentrierung liturgischer Orte: der Altar ist “der Tisch des Herrn, an dem das Volk Gottes in der gemeinsamen Meßfeier Anteil hat. Er ist zugleich Mittelpunkt der Danksagung, die in der Eucharistiefeier zur Vollendung kommt” (AEM 259). Zugleich heißt es: “Die Würde des Wortes Gottes erfordert für seine Verkündigung einen besonderen Ort in der Kirche, dem sich im Wortgottesdienst die Aufmerksamkeit der Gläubigen wie von selbst zuwendet” (AEM 272). Diesen Vorgaben entsprechen wir auf sehr differenzierte Weise: der Altar erhält sein größeres Gewicht durch seine Ausmaße und Gestaltung sowie durch die große kreisförmige Stufe, auf der er plaziert wird; der Ambo wird bedeutungsvoll durch seine eigenständige Position im zweiten Pol der Ellipse sowie durch seine Gestaltung und einen zweistufigen Antritt (der an das früher übliche Hinaufsteigen zum erhöhten Lesepult erinnern soll). Tisch des Brotes und Tisch des Wortes bekommen somit in unserem Renovierungs-konzept eine den liturgischen Reformen angemessene Gestalt und verstärken damit räumlich und materiell das Bewußtsein der Mitfeiernden vom Gegenwärtigwerden Christi in den eucharistischen Gaben ebenso wie im Wort der Hl.Schrift.
Wofür steht jener Freiraum zwischen Altar und Ambo, der nicht dinglich besetzt ist? Gott offenbart sich immer in Gestalt; zugleich aber kann jede konkrete Gestalt diese Gegenwart Gottes unter uns stets nur andeuten. Gott ist immer größer und anders als solche Gestalt. Von daher gibt es zwar keine Alternative zur erfahrbaren “Gestaltung” des göttlichen Heilshandelns, gleichzeitig müssen solche Gestaltungen aber als zeichenhaft verstanden und vor jeder Objektivierung bewahrt werden. Nur dadurch tragen wir der Freiheit Rechnung, in der Gott sich uns offenbaren will und stehen zu unserer Ohnmacht sowie unserem bewußten Verzicht, ihn zu manipulieren. Solche Offenheit für den sich in Freiheit offenbarenden Gott, solche Bereitschaft, sich auf das Neue und Andere Gottes einzulassen, ja die schöpferische Freiheit Gottes selbst, die jeder Beeinflussung entzogen ist, seine Souveränität, seine Nichtfestlegbarkeit auf irgendetwas Dingliches, kann zeichenhaft in der leerbleibenden Mitte zwischen Altar und Ambo zum Ausdruck kommen. Bleibt die Mitte frei, verweist sie auf den sich schenkenden ganz Anderen, auf den nicht festzuhaltenden Auferstandenen, der auf uns zukommt und inmitten seiner Gemeinde Wohnung nehmen will, ihr begegnen, ja sich mit ihr einen will.
Die Begegnung mit Gott kann nicht unabhängig von der Begegnung der Menschen miteinander stattfinden. Sie muß vielmehr in einer Erfahrungsbasis wurzeln, in der gelebten zwischenmenschlichen Kommunikation. Ansonsten wird das liturgische Geschehen als Communio, als Begegnung mit Gott, beziehungslos. Liturgie ist Zuneigung Gottes und antwortende Hinwendung des Menschen zu ihm und von daher dialogische Kommunikation. Als solche übersteigt sie symbolisch die alltäglichen Kommunikationsabläufe, denen sie entwächst. Umgekehrt ist zwischenmenschliche Begegnung immer schon mehr als bloß menschliches Be- ziehungsgeschehen; sie ist ein Verweis auf Gott, der den Menschen nachgeht und sich erkennen läßt, wo sie auf ihrem Lebensweg miteinander sprechen und Mahl halten. Liturgie braucht also den Communio-Raum, in dem die Feiernden Gott und einander begegnen können. Unser liturgischer Feierraum entspricht dieser Forderung in hohem Maße. Wenn wir auf den elliptisch angeordneten Bänken Platz nehmen, haben wir nicht nur den liturgischen “Ereignisraum” vor Augen, sondern auch viele Menschen im Blick. Und wir sehen sie nicht allein von hinten, wie bei der frontalen Reihenordnung, sondern wir sehen sie neben uns und uns gegenüber. Wir können einander ansehen und wahrnehmen. So schenken wir einander noch vor Beginn der gottesdienstlichen Feier Achtung und Ansehen und erkennen uns im Blickkontakt als Gemeinschaft von Glaubenden, Hoffenden, Suchenden, Erwartenden, Pilgern auf ihrem Lebensweg.
Wir erinnern uns vielleicht mancher Begegnung, manchen Austausches von leidvollen oder beglückenden Erfahrungen, vielleicht auch manchen Konfliktes. Wir werden uns bewußt, daß wir Gemeinde, Volk Gottes sind. Nähe, Verbindlichkeit, Zugehörigkeit können so wachsen. Unsere neue Sitzordnung stellt einen neuen und hohen Anspruch dar: nämlich uns als Gemeinde im Miteinander zu entwickeln, bestehende Konflikte mehr auszutragen als zu umgehen, Unterschiede auszuhalten und zu tolerieren, “einer des anderen Last tragen” zu wagen und noch mehr auf Gottes heilende Gegenwart im Feiern der Kirche zu vertrauen.
Der Ort der Taufe ist so konzipiert, daß er ihre Bedeutung als Grundsakrament sichtbar macht. Wir stellen das Taufbecken außerhalb des eucharistischen Feierraumes im Westchor der Kirche auf und bringen damit die Vorgängigkeit der Taufe vor dem Empfang aller anderen Sakramente zum Ausdruck. Desgleichen sollen die Schriftenstände unter der Orgelempore die Notwendigkeit der Unterweisung im Glauben betonen. Der Grundsatz “Ohne Glauben keine Taufe” besagt, daß wir vor der Taufe den Glauben kennenlernen, vertiefen und annehmen müssen. Dies gilt natürlich auch für das christliche Leben als Getaufte: immer wieder bedarf der Glaube der Vertiefung und Erneuerung.
Das ästhetisch-künstlerische Konzept, lautet wie das theologisch-liturgische: “die Tradition wahren und Neues wagen.” So bemühen wir uns um eine Wiederherstellung ursprünglicher ästhetischer Gestaltungen (z.B. Oratorienfenster, Farbgebung der Stukkaturen), versuchen aber zugleich, alten Formen neue Inhalte (z.B.Neugestaltung der Oratorienfenster, Schließung der großen Öffnungen unterhalb der Oratorienbalustraden) bzw. alten Inhalten neue Form (z.B. Buntglasfenster, die separat gerahmt und vor den vorhandenen Hafner-Fenstern angebracht werden) zu geben. Schließlich setzen wir ins vorhandene Hauptschiff eine zeitgenössische liturgische “Möblierung”, die zwar formal streng und linear wirkt, sich aber durch edle Materialen wie Marmor und vergoldet wirkendes Metall schmiegsam in die vorhandenen Raumstrukturen einpaßt. Zentrale Elemente des ästhetisch-künstlerischen Konzeptes sind zudem die Beleuchtung und ein “Kreuzvorhang” genannter Paravent am presbyterialen Scheitel des
Hauptschiffs. Letzterer soll den eucharistischen Feierraum zum Presbyterium und zum mächtigen Hochaltar hin zwar abgrenzen und so eine Vermischung der Räume verhindern, zugleich aber wie ein Vorhang auch auf diesen weiteren Raum, diese weitere Möglichkeit der Begegnung mit Gott — in der privaten Anbetung — verweisen.
Die Beleuchtung soll durch dimmbare Deckenanstrahlung den Raum nach oben hin öffnen und erweitern. Durch einen ovalen Ring mit kugelförmigen Lampen, die nach unten ihr Licht abgeben, soll eine Art Lichtzelt entstehen, das noch einmal — von oben her — die feiernde Gemeinde und den liturgischen “Ereignisraum” umhüllt und herausstreicht. Auch dieser ovale Beleuchtungsring soll sich durch edles Metall und strenge Form in den Raum einpassen, ohne seine Modernität aufzugeben. In ästhetischer Hinsicht sind wir somit durchwegs auf der Linie der Integration, einer versöhnten und dennoch „spannenden“ Gemeinschaft des Bestehenden bzw. wiederhergestellt Ursprünglichen mit dem ganz Neuen und Anderen.
Den Künstlern, vor allem Herrn Friedrich Koller, un den Kunst-handwerkern, die dies mit großem inneren Engagement und Glaubensernst geschafft und so Schönes geschaffen haben, sei von Herzen Dank gesagt!
Zur technisch-praktischen Seite unseres Konzeptes sei an dieser Stelle nur noch soviel gesagt: entscheidend ist für die Renovierung solide Handwerksarbeit nach modernen Standards, technische Einbauten und Abläufe, die leicht zu handhaben sind und unterschiedlichen Bedürfnissen entsprechen können. Als Beispiel seien hier die elektrotechnischen und akustischen Anlagen, aber auch das moderne Temperier-heizsystem genannt, die allesamt eine hohe Variabilität und leichte Steuerbarkeit aufweisen. Den beteiligten Firmen, Fachleuten und Handwerkern ein herzliches Vergelt’s Gott für alle gute Arbeit, die sie – oft genug unter Zeitdruck – geleistet haben! Alles technisch-praktische Tun, alle Baumaßnahmen bedürfen aber vor allem der Koordination, Logistik und Überprüfung. Tief empfundener Dank hierfür geht an das Bischöfliche Baureferat mit H.Herrn Domdekan Franz Sr.Gabriel und besonders Herrn Diözesan-baumeister Josef Lechner und Magister Alois Brunner, vor allem aber an Herrn Stefan Hiendl, Frau Christiane Hinterdobler und Herrn Dieter Gaisbauer vom Architekturbüro hiendl + partner, die sich unserer Renovierungsanliegen in jeder Hinsicht – auch spirituell – zu eigen gemacht und Hervorragendes geleistet haben!
© Dr. Josef Wimmer
© Farbe: Peter Dafinger