Pfarrkirche St. Anton
Ein Wort zuvor
Die Pfarrei St. Anton, mit fast 4500 Seelen die größte in der Bischofsstadt Passau, umfaßt drei Kirchen und vier Kapellen, in denen regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden. Innerhalb des Pfarrsprengels befinden sich außerdem noch die evangelische Friedenskirche sowie die Kirche der Baptistengemeinde.
Es war seit langem ein Anliegen, wenigstens die katholischen Kirchen und Kapellen in Wort und Bild vorzustellen. R. Gustav Gaisbauer hat dazu den entscheidenden Anstoß gegeben und in langer Vorbereitung die schon vorhandene Literatur sowie viele bisher unbekannte Quellen für die Erstellung eines Kirchenführers ausgewertet. Er hat das Material ebenso bereitgestellt wie Peter Dafinger das professionelle Bildprogramm.
Es zeigte sich bald, daß vor allem für die neu gestaltete Kirche St. Anton und für die im modernen Stil erbaute Filialkirche Christi Himmelfahrt eine herkömmliche Beschreibung ungenügend und daher manch erklärendes Wort angebracht wäre.
Deshalb hat Pfarrer Dr. Josef Wimmer wesentliche Abschnitte eingefügt, die dem Besucher theologische, liturgische und seelsorgliche Gedanken nahebringen – insbesondere hinsichtlich der Neugestaltung von St. Anton. So ist schließlich im gemeinsamen Bemühen eine Schrift entstanden, die nicht nur durch Kirchen‑, sondern auch durch geistig-geistliche Räume führt und sich daher im Text wie in der Gestaltung von gängigen Kirchenführern unterscheidet.
© Franz Mader, Stadtheimatpfleger
Entstehung und Geschichte der heutigen Pfarrei
Die Dreiflüssestadt Passau zählt wegen ihrer besonderen geografischen Lage am Zusammenfluß von Donau, Inn und Ilz und
wegen ihrer mehr als zweitausendjährigen Geschichte zu den
schönsten und ältesten Städten Deutschlands. Die Stadt mit der
Dompfarrei St. Stephan und der Bürgerpfarrei St. Paul war vor 1803
Sitz eines Fürstbischofs, dessen weltliche Macht jedoch damals
schon an der westlichen Stadtmauer endete. Vor dem Tor, schon
auf
bayerisch-kurfürstlichem Gebiet, lag das Augustinerchorherrenstift St. Nikola mit seiner ausgedehnten Klosterpfarrei. Als das Stift im Zuge der Säkularisation mit 21.3.1803 aufgehoben wurde, kam sein Pfarrgebiet zur Stadtpfarrei St. Paul, die dadurch westwärts bis zum Neuburger Wald und bis vor die Pfarrei Heining reichte. Das neue Pfarrgebiet war weiter draußen vorwiegend mit Einzelhöfen besiedelt, was sich aber unter anderem nach dem Bahnbau ab 1860 änderte. Die Stadt dehnte sich über die Windschnur hinaus in Richtung Haidenhof so aus, daß der Weg zur Pfarrkirche St. Paul bald mehrere Kilometer betrug. Deshalb wurde der Kooperator von St. Paul, Franz Paul Maidl, 1903 beauftragt, die seit 1900 angedachte Gründung einer neuen Pfarrei in der Gemarkung Haidenhof in die Wege zu leiten. Er hat diese Aufgabe mit großem Einsatz über Kirchenbau und Expositurgemeinde zügig gelöst, so daß am 4.Mai 1913 St. Anton von Prinzregent Luitpold zur Stadtpfarrei erhoben und am 24.Juli
1913 diese durch Bischof Sigismund Felix, Freiherr von Ow-Felldorf, auch kanonisch errichtet werden konnte. Franz Paul Maidl war bis zu seinem Tod 1951 ersterPfarrer. Sein Pfarrsprengel war der größte Teil der ehemaligen Klosterpfarrei St. Nikola bis hin zum Neuburger Wald. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand in diesem südwestlichsten Teil der Stadt das ausgedehnte Wohngebiet Haidenhof, für das am 1.2.1965 die Pfarrei St. Peter errichtet wurde. Dazu hatte St. Anton mehr als dieHälfte seines Gebietes abzutreten. Zurück blieb die heutige Pfarrei St. Anton mit der Kirche auf dem Bergrücken und der Gemeinde beiderseits hinab bis zu den Flüssen Donau und Inn.
© Hans Reitzner
St. Anton war der erste Kirchenbau zur Seelsorge in einem neuen Wohnbezirk außerhalb des mittelalterlichen Stadtbereichs. Entsprechend groß war die Anteilnahme von Außenstehenden und Betroffenen in Wort und Schrift. Der am 10.6.1903 gegründete Kirchenbauverein St. Antonius – residierender Bischof war seit 1901 Antonius von Henle – sah sich mancher Forderung nach
Mitbestimmung gegenüber und hatte letztlich 1907 noch einen konkurrierenden Kirchenbauverein Haidenhof abzuwehren, dessenZiele aber vom Bischof abgelehnt wurden. Bei der Beurteilung möglicher Bauplätze, zuerst am donauseitigen Hang des Windschnurbergrückens, war dem Verein und seinem Vorsitzenden Paul Maidl schon Schott zur Hand. Johann Baptist Schott (1853−1913), als Architekt in München ansässig, hat in seiner Schaffenszeit allein im sakralen Bereich 45 Kirchenneubauten und 34 Umbauten durchgeführt. In der Landeshauptstadt kaum zum Zuggekommen, arbeitete er im wesentlichen im Bereich dörflicher Sakralbauten, wobei ihm seine guten Beziehungen zu den bischöflichen Stellen in München, Regensburg und vor allem Passau zugute kamen, wo er fast ein „Hausarchitekt der PassauerDiözese“ wurde. Neben seinem Hauptwerk, der Basilika von
Altötting, waren die Stadtkirchen von Zwiesel, Weiden und Passau St. Anton seine größten Aufträge. Die Planung für St. Anton stand im Zusammenhang mit der Entwicklung und Gestaltung neuer „Bauquartiere“ durch Schott: Die Kirchenprojekte sollten mit der gleichzeitig geplanten, angrenzenden Bebauung als Ensemble städtebaulich zusammengefaßt und hervorgehoben werden. Im bewußten Anschluß an historische Weichbilder waren die Vorstadtkirchen innerhalb neuer Baugebiete als gut sichtbare Zentren der neuen Verkehrs- und Siedlungsschwerpunkte gedacht. In Verfolgung dieser Leitlinie steht St. Anton auf Fernwirkung konzipiert schon von weitem wahrnehmbar auf dem Bergrücken, lehnt sich aber im Architekturstil an das im Stadtbild vorherrschende Barock von Dom, St. Paul, St. Michael und Mariahilf an. Maidl schreibt in seiner
Pfarrgeschichte, die Barockform sei auch deshalb gewählt worden,
weil sich diese „naturgemäß in das Passauer Landschaftsbild mit
seinen ansteigenden Hügeln und zerrissenen Tälern schön
eingliedert“. Allerdings sollte die Kirche in einem Ensemble nach
Schott in optischer Wechselwirkung mit einer ebenfalls von ihm
geplanten Siedlung von 25 eingeschoßigen Einfamilienhäusern
stehen, was leider nicht realisiert wurde — mit der Folge des heutigen
stillosen Umfeldes.
Während der endgültige Standort erst im Juni 1908 festgelegt
wurde, war der Architekturplan bereits im Februar 1905
ausgearbeitet. Die zugrunde gelegte exakte Ellipse mit in
Längsrichtung angeschlossenem, quadratischem Vorder- und
Hinterschiff entwickelte sich aus der Vorstellung Maidls von einer
Pfeilerwandanlage analog St. Paul und andererseits seinem Wunsch
nach einem Rotunden-Zentralraum mit freier Sicht auf alle Altäre.
Obwohl die beschränkten Finanzmittel zur Planvereinfachung
zwangen, gelang Schott eine ausgewogene, harmonische
Raumlösung in Anlehnung an barocke Formen. Schotts Erfolg und
Selbstverständnis als Auftragsarchitekt basierte ja auf seinem routinierten Umgang mit verschiedenen Stillösungen. Während er in
Altötting barockes Inneres baute, vereinbarte er mit Maidl für die
Ausstattung der Antoniuskirche klassizistisches Empire (Louis-seize
Stil der 1780er Jahre) und bat um Terminaufschub, „damit ich sachte aus dem 17. ins 18.Jahrhundert gleiten kann und nicht plötzlich vom Barock ins Empire fliegen muß“. Klassizistische Empireformen für die Innengestaltung der Kirche zu konzipieren dürfte auch in der Absicht begründet gewesen sein, das vorgesehene Bild- und Ausstattungsprogramm durch sparsam flächige Dekorationsmittel und nuancierte Farbgebung besonders hervorzuheben. Maidl gewann für die Altarbilder und den Kreuzweg den im christlichen Kunstschaffen der damaligen Zeit sehr bekannten Gebhard Fugel (1863−1938), der seine Arbeiten ebenso erst im Laufe der Jahre einbrachte wie die anderen Künstler und Werkmeister, denn nach der Benediktion im Dezember 1910 war man froh, in einer noch weitgehend leeren Kirche doch schon
Gottesdienst feiern zu können. Wie lange es über den Ersten Weltkrieg hinweg dauerte, bis der Kirchenraum sein im Bild gezeigtes Aussehen hatte, zeigt die Zeittafel für die Einbringung der Gegenstände, für die Schott im Sinne eines Gesamtkunstwerkes noch alle Entwürfe lieferte und für die nach seinem Tod am 14.7.1913 sein Patenkind, langjähriger Mitarbeiter und Firmennachfolger Architekt Anton Wagner verantwortlich zeichnete.
12.1910 Benediktion
11.1911 Anbringung der Kreuzigungsgruppe (mit Schmerzensmutter)
05.1914 Aufstellung des Taufsteins
07.1914 Aufstellung der zwei Beichtstühle
12.1916 Einweihung der Kanzel
07.1921 Fertigstellung der Deckengemälde
09.1922 Einrichtung der Kriegergedächtniskapelle
01.1923 Lieferung des Kreuzweges
08.1923 Fertigstellung des Hochaltares
08.1923 Installation der Orgel
10.1923 Konsekration der Kirche
09.1925 Aufstellung der Seitenaltäre
01.1926 Einrichtung der Taufkapelle
12.1926 Einbau d. Elisabethfensters
03.1927 Einbau des Josephfensters
© Franz Paul Maidl
Fotos:
© Peter Dafinger,
© Rudolf Lenz,
© Gustav Gaisbauer