Interviews zum Umbau St. Anton
Interview Koller
R. Gustav Gaisbauer:
Interview mit Herrn Friedrich Koller
Freitag, der 26.02.1999, 09.17 — 10.35 Uhr
Pfarrhaus St. Anton, Antoniusmansarde
Neuburger Straße 68
94032 Passau
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GG
Herr Koller, bitte schildern Sie uns Ihren beruflichen Werdegang.
FK
Ich begann 1956 an der Akademie der bildenen Künste in München das Studium als Bildhauer bei Prof. Henselmann, der auch in Passau bekannt ist durch seine Arbeit im Dom. Ich wurde dann Meisterschüler, dh. ich hatte damit während des Studiums mein eigenes Atelier und machte dann meinen Abschluß als Diplom-Bildhauer.
Schon während der letzten Semester an der Akademie beteiligte ich mich an Wettbewerben und kam dadurch relativ bald zu sehr interessanten künstlerischen Aufgaben.
Nach dem Studium blieb ich in München, fand dort bald ein geeignetes Atelier und erhielt dann auch gleich Aufträge von öffentlichen und kirchlichen Stellen.
Zuerst in der Erzdiözese München-Freising und gleich danach auch in der Diözese Passau.
In Passau war meine erste Arbeit die Ausgestaltung der Kapelle im Haus der Jugend neben der Veste Oberhaus.
Bis 1970 lebte ich in München und übersiedelte dann mit meiner Familie nach Laufen an der Salzach, wo wir auch heute noch leben. Dort gründete ich ein neues Atelier. Die Familie wurde größer und die Aufgaben wuchsen ebenfalls. Ich bekam Aufträge aus ganz Bayern, auch aus Württemberg und aus Salzburg.
In letzter Zeit war ich an St.Jodok in Landshut tätig. Etwa gleichzeitig eine Arbeit, die mir sehr viel Freude bereitete war die Gestaltung der Kirche in Schöllnach, sowie die in Eppenschlag.
Des weiteren wichtig im sakralen Bereich waren die Frauenkirche am Hauptmarkt in Nürnberg, dann die Basilika Ulrich und Afra in Augsburg und in Bamberg die Karmelitenkirche.
Es waren immer die Gestaltungen der Chorräume, der Altäre und Ambonen. Nicht zu vergessen im Augsburger Dom das Grab für die Weihbischöfe. In der Kirche Maria unterm Kreuz in Königsbronn bei Augsburg ging es um die gesamtkünstlerische Gestaltung.
Das war eine sehr umfangreiche Arbeit. Wie auch in der Kirche Maria Heimsuchung in Sonthofen.
Eine für mich sehr wichtige Arbeit war für die Kirche Heilige Familie am Prenzlauer Berg in Berlin. Kurz nach der Wende wurde ich zu einem kleinen Wettbewerb eingeladen und mit der Durchführung beauftragt und konnte so die ersten Jahre der Wiedervereinigung in Berlin hautnah miterleben.
Mein letzter Auftrag war in meiner Heimatgemeinde Laufen in der schönen, gotischen Stiftskirche, Altar und Ambo. Davor in Berchtesgaden in der Stiftskirche eine ähnliche Aufgabe.
Das sind ausschnittsweise Orte, an denen ich sehr viel als Bildhauer gearbeitet habe. Mit den Architekten, Gemeinden und Bauämtern ergab sich dabei stets eine sehr gute Zusammenarbeit, die den hohen künstlerischen Ansprüchen in unserer Kirche hoffentlich gerecht wurden.
Zu erinnern ist an zwei große Ausstellungen, zum einen im Bildungshaus St.Virgil in Salzburg, sowie im Diözesanmuseum in Freising.
GG
Wie verstehen Sie sich selber als Künstler? In welcher Tradition stehen Sie?
FK
Frei und doch gebunden. Gebunden durch unsere Kultur, in der ich gerne lebe, die ich erfahre und die mich auch mit prägt. Frei, in dem ich mich suchend auch an die Ränder dieser Kultur begebe.
GG
Was sind Ihre künstlerischen Vorlieben, was Ihre Vorbilder?
FK
Vorbilder sind auf jeden Fall die anonymen Meister, Kunstwerke archaischer Herkunft, aber auch Werke unserer Zeit. Vorbild ist der Mensch in Bezug auf unsere gemeinsame Mitte.
GG
Arbeiten Sie lieber für Sakral- oder Profanbauten?
FK
Nachdem man sich wünscht, daß die ganze Welt sakral ist, kann ich da fast keinen Unterschied machen. In meiner Arbeit zeichnet sich klar ab, daß ich eine enorme Hinwendung zum Sakralbau empfinde. Das hängt auch damit zusammen, daß die Leute, mit denen ich da zu tun habe, sehr aufgeschlossen sind und in diesem Zusammenklang das jeweilige Projekt besser zu realisieren ist.
GG
Warum haben Sie sich jetzt für die Renovierung unserer Pfarrkirche interessiert?
Ist dieses Konzept für Sie eine besondere Herausforderung?
FK
Ja, dieses Konzept ist für mich eine besondere Herausforderung. In ähnlicher Art habe ich bisher noch kaum einen Raum gestaltet. Schon bei der Schilderung dieses Konzeptes habe ich Feuer gefangen und dann mit großer Freude erfahren, daß sich die Pfarrgemeinde für mich als Künstler entschieden hat.
GG
Es wird ja dabei nicht nur versucht, die Fehler zweier vorangegangener Renovierungen zu beseitigen, sondern neue liturgische Möglichkeiten in die bestehenden räumlichen Vorgaben zu integrieren. Was möchten Sie uns mit Ihrer Lösung mitteilen bzw. vermitteln?
FK
Das macht die Sache noch etwas schwieriger, um nicht ein drittes mal etwas verkehrt zu machen. Ganz ohne Fehler wird sicher unsere Arbeit auch nicht sein. Aber alle Beteiligten bemühen sich auf’s äusserste, die Raumschale, so wie sie zu ihrer Bauzeit konzipiert wurde, wieder so herzustellen, daß eine Einheit vorhanden ist zwischen der Architektur und der Farbigkeit, die auf die Innenhaut aufgebracht wurde. Alles, was an liturgischen Einrichtungen neu errichtet wird, soll dagegen echt ein Kind unserer Zeit sein, zum Ende unseres Jahrtausends enstanden in der Hoffnung, daß sie auch weit in das nächste Jahrtausend hinein bestehen können.
Noch wichtiger ist natürlich, daß die praktizierende Gemeinde ein Feld findet, in dem sie gut Gottesdienst feiern kann, in dem sich auch eine starke Spiritualität in dem vorhandenen Raum und über die Kultgegenstände entwickeln kann.
GG
Schildern Sie uns bitte, vielleicht auch an einem Beispiel, warum Sie sich dabei gerade so und nicht anders entschieden haben.
FK
Eine große Hilfe war für mich auch, daß ich beim Probegottesdienst dabei war, daß ich erlebt habe, wie faszinierend es ist, wenn sich die Gemeinde in einem Oval um Altar und Ambo versammelt. Damals gab es ja auch noch diese Insel, die Altar und Ambo einerseits verbunden, andererseits aber auch ausgesondert hat. Nach diesem Eindruck bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß es richtig ist, den Altar als eigene Zone in Spannung zu setzen zum Ambo und seiner eigenen Zone. Daß zwischen Altar und Ambo eine große Verbindung zu Spüren ist, daß aber andererseits nicht die Kirche durch eine Altarinsel, die beides verbindet, getrennt wird und dadurch wieder die „Nähe“ gestört wird. Weiters war natürlich auch die Absicht, für eine gewisse Vielfalt der Gottesdienstgestaltung zu sorgen. Dazu war es nötig, daß man um den Ambo stehen kann. Es ist denkbar, daß bei der Verkündigung die Gemeinde nicht nur aufsteht, sondern sich stehend um den Ambo versammelt oder daß eine kleinere Versammlung sich direkt um den Altar findet. Daß sich zB. mit beweglichem Gestühl ein kleiner Kreis direkt um den Altar versammeln kann. Alle diese Gedanken und Überlegungen haben letztendlich zu diesem Entwurf geführt, im Zusammenklingen der neu gestalteten Teile mit dem vorhandenen Raum.
Dadurch war es auch notwendig, eine gewisse Trennung oder auch Verbindung zwischen dem neuen Versammlungsraum und dem alten Chorraum mit dem wieder erstellten Hochalter und Tabernakel zu finden.Dazu soll der Kreuzvorhang dienen. Er soll einen Hintergrund und ruhigen Abschluß des Ovals darstellen, aber auch den Menschen, die zur Anbetung zum Tabernakel kommen, ein Schutz wiederum sein, aber nicht den Raum zertrennen, sondern in sehr transparenter Weise diesen beiden Anforderungen gerecht werden.
GG
In welchem Zusammenhang steht die Renovierung unserer Pfarrkirche mit Ihren anderen Tätigkeiten? Ist es für Sie ein künstlerischer Wendepunkt, der Ihre künftigen Arbeiten beeinflussen wird?
FK
Sicher ist St.Anton eine markante Station in meiner gesamten Arbeit.
Es ist aber so, daß jede große Aufgabe von den Vorgängern auch wieder beeinflußt ist und auch die nachfolgenden Aufgaben beeinflussen wird. Ich befinde ich mich in einer gewissen Kontinuität, die aber immer wieder durch neue Erlebnisse und Visionen verwandelt wird.
GG
Herr Koller, ich danke sehr herzlich für das Gespräch.
© Friedrich Koller und © Gustav Gaisbauer, © Pfarrei St. Anton
Interview Lechner
R. Gustav Gaisbauer:
Interview mit Herrn Dipl.-Ing. Josef Lechner, Diözesanbaumeister
Freitag, der 01.03.1999, 16.20 — 18.00 Uhr
Diözesanbauamt, Büro Herrn Lechner
Domplatz 3
94032 Passau
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GG
Herr Lechner, bitte schildern Sie uns Ihren beruflichen Werdegang.
JL
Dazu muß ich etwas weiter ausholen. Ich stamme aus Innsbruck und habe in Wien an der Akademie Architektur studiert. 1972 bin ich dann nach Bayern gekommen und habe da meine berufliche Tätigkeit begonnen. Ich habe in Landau an der Isar in einem großen Architekturbüro gearbeitet, danach noch in anderen Büros und bin dann 1981 zum Landbauamt Passau übergewechselt und dort dann bis 1993 die Verantwortung für Planungen und Gestaltungen von staatlichen Gebäuden in den Landkreisen Passau und Deggendorf. Ich konnte bei diesen Gelegenheiten große Baumaßnahmen durchführen ua. die Trinkwassertalsperre in Frauenau, das Wasserwirtschaftsamt und das Amtsgericht in Deggendorf. Das waren sehr schöne Tätigkeiten beim Staat. 1993 kam dann der Wechsel zum Diözesanbauamt. Mich hat damals diese Aufgabenstellung gereizt und ich war und bin sehr froh und dankbar, daß man sich für mich als Diözesanbaumeister entschieden hat.
Hier geht die Aufgabenstellung natürlich mehr in die sakrale Richtung.
GG
Warum kamen Sie nach Bayern?
JL
Ich habe meine Frau hier in Passau kennen gelernt und bin deswegen von Wien hierher gezogen und fühle mich mittlerweile sehr wohl in Niederbayern.
GG
Da Sie in beiden Lagern gearbeitet haben: wie sehen Sie den Unterschied zwischen profaner und sakraler Architektur? Wie verstehen Sie sich als Diözesanbaumeister?
JL
Ich sehe den Unterschied gar nicht so dramatisch. Es ist beides sehr eng verbunden. Man kann keinen klaren Trennungsstrich ziehen. Es kann auch ein profanes Gebäude sehr viel Inhalte transportieren und das ist das entscheidende. Ein Gebäude hat nicht nur eine Funktion zu erfüllen, sondern muß auch Inhalte und geistige Werte vermitteln. Das ist natürlich bei einem sakralen Bauwerk noch stärker ausgeprägt. Das ist auch, was mich an diesem Beruf so fasziniert. Daß man nicht nur das bautechnische beherrscht, sondern daß man auch bemüht ist, geistige Inhalte umzusetzen. Da ist es nicht nur damit getan, daß etwas funktioniert, sondern es muß auch eine Botschaft transportieren.Diözesanbaumeister ist damit mehr als ein normaler Baumeister, weil man auch eine Glaubensüberzeugung baulich umsetzen muß und es auch atmosphärisch den Nutzern dieser Gebäude gut gehen soll.
GG
In welcher Traditon stehen Sie?
JL
Es gibt eine ganze Reihe von Bauleuten, die für die Kirche gearbeitet haben. Von den Anfängen der Menschheit her haben Baumeister Kultbauten errichtet und das zieht sich bis in unsere Tage. Ob es die Pyramiden der Ägypter waren oder die Tempelbauten der Griechen und Römer, immer waren diese Kultbauten besondere Bauten, die dann auch in der Architekturgeschichte ihren Platz gefunden haben.
Sie müssen längerlebig sein, sie müssen längere Architekturgültigkeiten haben.
Jedes kirchliche Gebäude hat eine Geschichte. Manche gehen schon etliche Jahrhunderte zurück, andere sind neueren Datums. Gerade diese Geschichte aufzuspüren und in dieser Tradition weiter zu machen, denn heutigen Bedürfnissen und liturgischen Vorstellungen den Kirchenraum anzupassen, aber trotzdem in dieser Tradition zu bleiben, hier nicht Brüche zu schaffen, scheint mir eine ganz große und wichtige Herausforderung für meinen Beruf zu sein.
Ich möchte das an einem Beispiel erläutern: es gab Zeiten großer Marienverehrung in der Kirche, dann gerieten verschiedene Heilige mehr in das Rampenlicht oder sich die Liturgieformen verändert haben und zB bei der Osternacht oder an Weihnachten besondere Ausformungen erlebten.
Mit der Zeit wurden Teile verändert, wurde was zurückgebaut oder dazugesetzt. Das ist ein permanenter Entwicklungsprozeß. Eine Kirche ist nie etwa festes, bleibendes, statisches, sondern der Dynamik und Lebendigkeit des Glaubens und der Glaubensgemeinschaft, notwendig ist, unterworfen. Dieses Gefühl bei den Umgestaltungen von Kirchen hineinzubringen ist eine sehr sehr interessante Aufgabe und etwas, was bei wenigen vergleichbaren Berufen möglich ist.
GG
Was gefällt Ihnen besser: Romanik, Gotik, Barock oder Renaissance?
JL
Diese Frage stellt sich mir nicht. Ich gehe immer davon aus, wie stimmig ist alles.
Wie wurde die Idee des Baumeisters umgesetzt. Wie konsequent war er und wie verstand er es, das Gebäude als Botschaft rüberzubringen. Das konnten die Baumeister aller dieser genannten Epochen. Es ist immer die Konsequenz, daß man die Geisteshaltung in Formen setzt und dann hat ein Gebäude Bestand und dann habe ich nicht mehr zu wählen, was ist mir lieber. Ich ziehe vor jeder Konsequenz und vor jedem bis ins letzte durchdachten Gebäude den Hut und das gilt auch für unsere Zeit. Ein modernes Gebäude kann auch geistige Inhalte vermitteln, wenn es durchdacht ist. Das ist, glaube ich, das verbindende.
GG
Sie haben also keine besondere Affinität zu einer bestimmten Stilrichtung?
JL
Ich fühle mich in einem gotischen Raum genauso wohl wie in jedem einer anderen Stilrichtung. Natürlich habe ich in einem gotischen Raum eine andere Empfindung wie zB. In einem romanischen, aber das ist nicht qualitativ zu werten; es ist nur anders. In einer gotischen Kirche ist sozusagen die Seele nach oben gerichtet durch die Architektur…
GG
nach dem Motto „näher zu Dir, mein Gott“
JL
Ja, es ist alles vertikal ausgelegt. Das ergibt eine bestimmte Atmosphäre. Der entzieht sich kaum jemand. Sicher gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Domen. Und natürlich gibt es Unterschiede zum barocken Empfinden. Das ist etwas völlig anderes. Wenn Sie zB in einer Barockkirche wie der Wieskirche sind, da spürt man die Heiterkeit, es ist die Freude am Gestalten erkennbar. Das ist ein ganz anderes Lebensgefühl, das sich hier durch die Architektur vermittelt. Genauso kann man das bei der Romanik erkennen, das Schwere, das Erdhafte. Das ist auch bei den anderen Stilformen so. Bei der Rennaissance stand der Mensch im Mittelpunkt, wurde die Humanität dargestellt und auf die griechischen Ursprünge zurück gegriffen. Das erzeugt immer wieder andere atmosphärische Situationen. Die Empfindung des Betrachters wird immer wieder in eine andere Richtung geleitet. Diese sind aber weder besser oder schlechter, sondern eben anders. So vielschichtig wie heute das menschliche Empfindungsvermögen ist, so ist auch die Architektur.
GG
Was sind Ihre Vorlieben, was Ihre Vorbilder?
JL
Wichtig ist mir, daß das Schaffen einen geistigen Hintergrund hat, daß etwas tieferes hinter dem steht, was an Formen, Farben und Atmosphärischem geschaffen werden soll. Das kann an einem Sakralraum sehr viel besser herausgearbeitet werden, als das bei einem Profanbau, einem Zweckbau, der Fall ist.
Vorbilder sind Gebäude, die in sich stimmig sind, die eine Geisteshaltung konsequent weitergeben können.
GG
Sie haben sich deshalb für Sakralbauten entschieden?
JL
Es ist nicht so, daß ich nur Sakralbauten mache. Ich habe auch sehr viele andere Objekte zu betreuen und zu behandeln. Das geht vom Pfarrzentrum bis Friedhofsgestaltung oder zu irgendwelchen Nutzgebäuden wie Pfarrhäusern, Pfarrerwohnungen bis eben natürlich zu Kapellen und Kirchen.
GG
Das heißt, auf irgendeine Art und Weise ist der Diözesanbaumeister in jede Baumaßnahme der Diözese involviert?
JL
Ja, vor allem auch, weil jede Kirchenverwaltung, die eine Baumaßnahme durchführen will, eine stiftungsaufsichtliche Genehmigung braucht. Das geschieht über das Diözesanbauamt. Es bindet auch die nötigen Fachstellen, die noch zu beteiligen sind, mit ein. Das kann z.B. das Landesamt für Denkmalpflege sein, das Landratsamt oder bei einer Stadt das Stadtbauamt.
Insofern wird hier alles gebündelt und entschieden, ob es in eigener Regie durchgeführt wird, oder ob Architekturbüros oder Künstler beteiligt werden.
Von unserer Seite aus sind die Verteilungen dieser Arbeiten durchzuführen.
GG
Planen Sie selber auch?
JL
Ja, wir machen sehr viele Eigenplanungen. Das ist sehr wichtig, denn nur wenn wir selber bauen, können wir Anderen auch über die Schulter schauen und sind technisch auf immer auf dem laufenden. Die letzte größere Baumaßnahme war der Umbau des Exerzitienhauses oben bei Mariahilf.
Das Diözesanbauamt ist immer die erste Ansprechstelle für die Kirchenverwaltungen. Das hat auch den Vorteil, daß sie für die Planungen durch das Diözesanbauamt keine Honorare zu zahlen hat. Müssen freischaffende Architekten und Künstler eingeschaltet werden, fallen ja doch erhebliche Honorare an.
Soweit wir es personell schaffen, werden wir deshalb immer die Sachen hier im Hause bearbeiten, sei es bei Neubauten, aber auch bei Unterhaltungsmaßnahmen.
Wir haben eine Reihe sehr qualifizierter Sachbearbeiter, die schon viele Jahre in dieser Materie tätig sind und die sich speziell im Kirchenbau schon vielfältige Erfahrung angeeignet haben.
GG
Wie sieht der Arbeitstag eines Diözesanbaumeisters aus?
JL
Es ist sehr viel Verwaltungsarbeit hinsichtlich der Genehmigungswege, die bei jedem Bauvorhaben notwendig sind. Dann die Baumaßnahmen, die vom Diözesanbauamt geplant und eigenverantwortlich durchgeführt werden.
Das ist sehr viel Entwurfs- und Detailarbeit. Dann natürlich die Bauleitungstätigkeiten. An meinem Schreibtisch entstehen viele Pläne.
Zuerst ist natürlich die Idee, die muß dann umgesetzt werden. Das sind in erster Linie Freihandzeichnungen, die dann an den 2 CRT- Arbeits-plätzen — das ist das computerunterstützte Zeichnen — hier im Hause umgesetzt werden. Lineal und Reißschiene kommen nur mehr selten vor.
Es kommen sehr viele Beratungstätigkeiten bei den Kirchen-verwaltungen dazu. Da muß zuerst die Aufgabenstellung definiert werden. Dann werden Empfehlungen ausgesprochen hinsichtlich Umgestaltung, auch bei liturgischen Umgestaltungen wie jetzt in St.Anton. Das ist ein sehr breites Feld. Aber auch Beratungen bei künstlerischen Ausstattungen, bei der Beiziehung von Künstlern, bei deren direkter Beauftragung oder der Gestaltung von Wettbewerben. Dies geschieht auch in Zusammenarbeit mit dem Kunstreferat. Auf diese Weise wird auch der Versuch gemacht, neue Geisteshaltungen in unsere Kunstwerke rein zu bekommen.
Auch hier kann St. Anton als Beispiel genannt werden. Wir haben da immer sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn man das alles zusammenzählt, sieht man, daß die Arbeitszeit eines Diözesan-baumeisters ziemlich ausgefüllt ist. Mein Privatleben beschränkt sich auf sehr wenige Stunden, die ich dafür umso intensiver geniese. Ich habe vier Kinder. Die haben auch ein Recht darauf, daß die Familie intakt ist und bleibt und die Arbeit nicht alles auffrißt.
GG
Erzählen Sie uns Ihre Aufgabenstellung bei der Renovierung von St.Anton.
JL
Das ist eine ganz besondere Baumaßnahme. Da kommen zwei Sachen zusammen. Das eine ist, daß die Kirche, die ja um die Jahrhundertwende gebaut worden ist, in den Siebziger Jahren ziemlich reduziert und die Atmosphäre sehr schlicht, eher abweisend wurde. Mit der Renovierung wollen wir den Versuch wagen, die ursprüngliche Farbigkeit und Architektur wieder heraus zu arbeiten. Das war die eine Seite, die andere Seite war das neue liturgische Konzept. Hier kam in der Person, des Herrn Pfr. Dr.Wimmer, ein Mann auf uns zu, der sehr konkrete Vorstellungen in dieser Richtung entwickelt hatte, die neu, aber faszinierend in ihrer Konsequenz waren. Ich war von Anfang an sehr angetan von diesen Ideen. Es hat mich auch gereizt, sie umzusetzen. Deshalb habe ich mich auf diesen Weg eingelassen. Ich bereue es nicht und bin der Meinung, daß wir hier ein sehr interessantes und vor allem auch tragfähiges Konzept für die Zukunft entwickelt haben. Es wird sich zeigen, wenn die Kirche eingeweiht wird, daß hier eine neue Spiritualität, eine neue Form der Gemeinschaft und der Liturgiefeier möglich wird. Ich bin ziemlich sicher, daß dieses Modell, dieses Objekt in der ganzen Bundesrepublik Schule machen wird.
Die Ellipsenlösung ist das Schlagwort, das uns immer wieder bewegt hat. Ich habe die ganze Dískussion ja hautnah miterlebt. Ich war auch bei den drei Probegottesdiensten dabei. All das hat mich darin bestärkt, daß wir auf den richtigen Weg sind, auch wenn sehr viele anderer Meinung waren. Ich will jetzt das gar nicht wieder aufwärmen, sondern das positive herausstreichen: die Einbeziehung der Gläubigen in das Geschehen. Das ist bei einer Ellipsenlösung sehr, sehr viel stärker als bei bisherigen Modellen.
GG
Das Ellipsenmodell paßt in die bestehende Raumschale unserer Kirche so gut hinein, als hätte der damalige Architekt Schott schon die heutige Lösung im Auge gehabt und die bisherige Bestuhlung und liturgische Anordnung sei nur ein Provisorium gewesen.
JL
Es ist eigenartig. Schott hat eine Wegekirche gebaut, sie aber so ausgeführt, daß sie einem Zentralbau näher kommt. Vielleicht hat er damals schon gespürt, daß der Raum auch ganz anders genutzt werden kann.
Zentralbauten gab es früher auch schon, aber die Liturgie war noch nicht soweit, um solche Formen nutzen zu können. Die Vorgabe von Schott kann mit der jetzigen Lösung viel besser umgesetzt werden. Schott machte damals eine Elypse, sie wurde aber nicht als solche genutzt, sondern in der damals üblichen Längsform.
Vielleicht war es der architektonische Spieltrieb, der Schott einen Raum schaffen ließ, der nach seinem Empfinden Atmosphäre brachte.
GG
Gibt es bei anderen Schottkirchen vergleichbares?
JL
Schott hat meisterhaft alle möglichen Baustile beherrscht. Er beherrschte sie teilweise besser, als die historischen Architekten selber. Er hat neuromanisch, neugotisch, neubarock gebaut und auch Jugendstil-Elemente verwendet. Er war ein außergewöhnlicher Architekt, der sich nie auf einen Stil festlegen konnte. Er hat sich aus allen Stilen das für ihn beste herausgeholt und genial miteinander verbunden.
GG
Da kann man nur hoffen, daß die Renovierung ein Ergebnis zeitigt, das auch Schott begeistern würde.
JL
Der Raum wird jetzt stimmig mit der Liturgie. Das ist eine Besonderheit, die jetzt auf St.Anton zutrifft. Sowas könnte man nicht beliebig in jeder anderen Kirche umsetzen.
Bei einem normalen Langschiff wäre es nicht möglich.
Es war bei St.Anton eine einmalige Chance. Deswegen konnten wir auch so überzeugen. Wir setzen die neuen liturgischen Vorstellungen, die beim 2. Vatikanischen Konzil entstanden sind, jetzt konsequent um.
Er ist für uns alle jetzt ein spannender Moment. Wir haben einen Raum, der um die Jahrhundertwende erdacht und dann erbaut wurde, haben ihn jetzt wieder in seiner Farbigkeit und Ornamentik frei gelegt und setzen jetzt Kunstschaffen aus unserer Epoche dazu: Altar, Ambo, das Gestühl, das aus unserer Zeit kommt, hat auch unsere Handschrift und Formensprache. Es werden zwei Epochen in Spannung zueinander gesetzt. Ich erwarte es mit Freude und bin sehr zuversichtlich. Ich habe es eingangs schon erwähnt. Wenn man ganz konsequent einen Gedanken verfolgt, hat er Bestand.
Wir setzen die Raumschale ganz konsequent nach den Vorstellungen des Baumeisters wieder zurück und setzen ganz bewußt unsere Zeit dazu. Das ist dann keine Konkurrenz, sondern die Folge einer historischen Entwicklung. Es wäre nicht gut gewesen, das jetzt alles in Jugendstilformen nachzuempfinden. Der Wettbewerb zeigte, daß viele Künstler diese Vorstellungen hatten. Die Jury hatte aber die klare Vorstellung, daß es wichtig ist, unsere Zeit zu dokumentieren für die Teile, die neu zu schaffen sind. Das was schon da ist, wollen wir konsequent in der Form bringen, wie sie damals in Farbe und Ornamentik vorgesehen war.
GG
Eine Synthese herzustellen!
JL
Genau, das ist unser Ziel. Da sehe ich eine ganz klare Konsequenz dahinter.
Wie hat sich der neue Schöpfer mit dem anderen auseinandergesetzt. Hat er das bloß nachempfunden oder übergestülpt, oder sich ganz klar für was Neues entschieden?
GG
Sie haben eine sehr tiefe Verbundenheit zu Kirche und Glauben.
JL
Ja, als Ministrant habe ich das sehr hautnah miterlebt. Später beim Studium habe ich mir immer wieder kirchliche Projekte vorgenommen. Meine Diplomarbeit war der Entwurf für eine Klosteranlage. Ich habe dazu sogar einen Karmel gewählt. Karmelklöster sind die strengsten Klöster, da sind die einzelnen Mönche ganz isoliert. Diese Baumaßnahme hat mich damals sehr fasziniert.
Ein weiteres Studienobjekt war ein Pfarrzentrum.
In der Zeit von 1972 bis 1993 war natürlich das kirchliche Bauen weniger in meinem Bereich, aber es war nie ganz ausgeklammert. Es gibt auch Kirchenobjekte, die der Staat zu betreuen hat. Ich konnte da auch an einigen Maßnahmen mitarbeiten wie zB. der Pfarrhof in Rotthalmünster oder die Basilika in Niederaltaich und entsprechende Erfahrungen sammeln. Auch in meiner Heimatpfarrei war ich immer in solche Maßnahmen eingebunden. Mein neuer Aufgabenbereich hat mich dadurch nicht unvorbereitet getroffen. Ich habe diese Chance, die mir da geboten wurde, gerne angenommen und sie auch ganz bewußt getroffen.
GG
Steht die Renovierung von St.Anton in Zusammenhang mit Ihren anderen Tätigkeiten und hat sie einen Einfluß auf Ihre künftigen Arbeiten?
JL
Sie ist für mich ein besonders großes Thema. Für mich ist wichtig, daß wir hier augenfällig eine Liturgieform präsentieren und ich werde alles daran setzen, daß diese neuen, guten Gedanken auch Einzug in andere Kirchgengestaltungen finden.
Ob das nun immer die Ellipsenlösung sein wird, oder nicht, sei dahingestellt.
Daß man bereit ist, über solche neuen Gedanken zu sprechen, nehme ich mit für andere Objekte.
GG
Herr Lechner, ich danke sehr herzlich für das Gespräch.
© Josef Lechner und © Gustav Gaisbauer, © Pfarrei St. Anton
Interview
zum Thema “Neugestaltung der St. Anton-Kirche in Passau”
Fragen von Gustav Gaisbauer per Email an Dr. Josef Wimmer (26.06.2019)
GG:
Sie waren doch schon als Praktikant in unserer Pfarrei tätig. Was war Ihr erster Eindruck von der Kirche?
JW:
Als Praktikant war ich in erster Linie im Bereich der Seelsorge und des Religionsunterrichts tätig. Die Kirche machte keinen besonderen Eindruck auf mich. Ich empfand sie als spirituell wenig aussagekräftig.
GG:
Wann und warum haben Sie sich als Nachfolger von Prälat Joseph Krumbachner beworben?
JW:
Meiner Erinnerung nach habe ich mich erst beworben, nachdem Bischof Franz-Xaver Eder mich telefonisch dazu aufgefordert hatte und mir zusagte, mir das Amt des Pfarrers von St. Anton anvertrauen zu wollen.
GG:
Als Sie als Pfarrer installiert waren: wann reifte bei Ihnen der Entschluss, dass die Umbauten nach dem 2. Vaticanum rückgebaut bzw. die Kirche umgebaut werden müsse, um die liturgischen Möglichkeiten, die Architekt Schott schon bei der Erbauung angeboten hatte, endlich zu realisieren?
JW:
Zunächst einmal: die nach den nach dem II. Vaticanum vorgenommenen Umbauten entsprachen konsequent der damals gesamtkirchlich vorgenommenen Liturgiereform, die natürlich auch vom Zeitgeist mitbestimmt wurde (wie stets bei Veränderungen in der Kirche).
Das neue Aussehen der Kirche sollte helfen, sich auf das Wort Gottes und auf die gemeinschaftliche Feier der Hl. Eucharistie zu konzentrieren, die laut LumenGentium 11 “Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens” ist. Die damalige Renovierung war also ein Versuch der Konzentration auf das Wesentliche des Glaubenslebens.
Ob Schott bereits zu Anfang des 20. Jahrhundert die liturgischen Möglichkeiten sah, die St. Anton seit der Neugestaltung Ende des Jahrhunderts möglich wurden, sei dahingestellt.
Mein Wunsch, die Kirche neu zu gestalten, reifte tatsächlich über längere Zeit. Erstens war sie im Innern seit den 70er Jahren ziemlich angegraut, und das gefiel mir nicht. Zweitens hatte – nostalgischen Bedürfnissen folgend – inzwischen allerhand Figürliches und Bildliches wieder Einzug gehalten, was die Nüchternheit der nachkonziliaren Gestaltung nicht nur religiösen Stimmungswerten weichen ließ, sondern auch ihr konzentrierendes Momentum wieder aufweichte: wenn vier Madonnen im Abstand von wenigen Metern aufgereiht stehen oder hängen, wird jeder Versuch, Christus ins Zentrum der Gottesverehrung zu stellen, konterkariert. Drittens litt ich darunter, dass der Priestersitz so weit von der Gemeinde entfernt war. Ich erkannte von meinem Platz aus die eben zum Haupteingang hereinkommenden Teilnehmer gar nicht! Auch nachdem ich den Priestersitz der Gemeinde räumlich angenähert hatte, veränderte sich nichts Substanzielles.
Der Ausfall der maroden Heizung kam mir letztendlich zu Hilfe. Mir war klar, dass wir eine neue Heizung brauchen würden. Da ergab es sich fast von selbst, dass wir in dieser Lage auch eine Gesamtrenovierung durchführen sollte. Dafür entschied ich mich dann 1996/97 (wenn ich mich recht erinnere) relativ schnell – ohne zu ahnen, was da auf mich zukommen würde…
GG:
Hatten Sie von Anfang an den Gedanken zur später realisierten Ellipsenform?
JW:
Die Idee dazu kam mir in der Kirche. Nachdem ich beschlossen hatte, die Gesamtrenovierung zu initiieren, setzte ich mich eines Tages in die Kirche und ließ meinen Sinnen und Gedanken freien Lauf. Da fiel mir der ovale Grundriss des Mittelschiffs auf. Ich hatte zu der Zeit noch keine Ahnung von so etwas wie “Ellipsenmodell” oder “Communiomodell” – befasste ich mich doch noch gar nicht mit dem Thema Kirchenraumgestaltung, nicht einmal liturgietheologisch oder kunsthistorisch.
Der ovale Grundriss des Mittelschiffs legte mich rein raumstrukturell nahe, die Bankreihen im Oval anzuordnen und die Sitze für den/die Priester und den liturgischen Dienst in diese Ellipse zu integrieren – ein wenig hervorgehoben vielleicht, aber ganz und gar eingebaut in die Form.
Logischerweise mussten bei dieser Anordnung der Bankreihen die Orte für Altar und Ambo – “Tisch des Brotes” und “Tisch des Wortes”, wie es so schön theologisch-bildhaft heißt – innerhalb der Ellipse angeordnet sein. Dafür kamen nur die beiden geometrischen Brennpunkte dieser Struktur in Frage.
Mit dieser Vision war für mich das Konzept schon “gezeugt”! Der Rest war Arbeit an der Verwirklichung!
GG:
Wie nahmen die Pfarreigremien diese Gedanken auf? Wie konnten Sie sie überzeugen?
JW:
Als erstes besprach ich mich mit dem damaligen Kirchenpfleger, Herrn Reitzner. Er konnte meine Gedankengänge gut nachvollziehen und war aufgrund seiner ganz dem Geist des II. Vaticanums entsprechenden Glaubenseinstellung von meiner Vision sehr angetan. Das gleich gilt für den damaligen PGR-Vorsitzenden Vitus Donaubauer. Er hatte ohnehin schon das Logo “Miteinander-Füreinander” für die Pfarrei ausgegeben und war am der umstrukturierenden Neugestaltung des Kirchenraums sehr interessiert; er sicherte mir seine volle Unterstützung zu.
Die beiden Vorsitzenden der ausschlaggebenden Gremien in St. Anton überzeugten dann gemeinsam mit mir auch die übrigen Mitglieder vom KV und PGR – zumindest was die “offizielle” Seite der Zustimmung anbelangte. Inoffiziell gab es vermutlich noch manche Zweifel und Unsicherheiten, die sich vor allem auf die Tatsache bezogen, dass in dieser Anordnung die Gottesdienstteilnehmer sich frontal vor Augen haben…
GG:
Wie nahm das Ordinariat diese Gedanken auf?
JW:
“Das Ordinariat” waren in diesem Fall der Diözesanbaumeister Josef Lechner und der zuständige Domkapitular und Bau- und Kunstreferent Franz Seraph Gabriel; auch der für die Liturgie zuständige Entscheidungsträger, dessen Name mir nicht mehr einfällt, musste einbezogen werden.
Mit diesen Herren nahm ich Kontakt auf. Herr Lechner war sehr an meiner innovativen Vision interessiert und unterstützte sie vom ersten Moment an. Inzwischen wusste ich ja auch durch einen Hinweis von Fritz Seibold auf einen Artikel in der Zeitschrift “Christ in der Gegenwart”, dass meine Vorstellung einer dem Oval des Hauptschiffs angepassten Anordnung der Bankreihen und der mittig bipolaren Position von Altar und Ambo in der Liturgiewissenschaft bereits vorhanden ist und den Namen “Communio-Modell” oder “Ellipsen-Modell” trägt. Damit hatte ich natürlich eine weitere Argumentationshilfe.
Mit großem Gewinn suchte ich den Bonner Liturgiewissenschaftler auf, der diesen Artikel verfasst hatte, sich für dieses stärker an der Communio der Gläubigen orientierte Kirchenraummodell stark machte und die theologischen Begründungen dafür lieferte.
Auch den für das Bau- und Kunstwesen zuständigen Domkapitular konnte ich schließlich gewinnen. Schwieriger war es, den “Liturgiker” zu überzeugen.
Dann war da ja auch noch Generalvikar Hüttner, der sich weder dafür noch dagegen aussprach, aber eher skeptisch schien. Er verlangte zunächst eine Abstimmung der Gremien und der Pfarrgemeinde zu diesem Vorhaben. Die erste dieser Abstimmungen fiel positiv aus; ihr Ergebnis reichte aber dem GV nicht, so dass wir noch zwei weitere Male – zuletzt mit einer dem Communio-Modell entsprechenden versuchsweisen Anordnung von Stühlen und liturgischen Orten in der bereits leergeräumten Kirche. Auch die zweite und vor allem dritte Abstimmung fiel zugunsten der Neugestaltung aus.
GV Hüttner reichte das immer noch nicht. Mit den Worten “Wie ihr abstimmt, interessiert uns nicht. Entscheiden tun immer noch wir.” lud er mich vor das Domkapitel, damit ich dort Rede und Antwort stehe…
Einen Pfarreivertreter sollte ich nicht mitnehmen dürfen.
Die Anhörung und Debatte im Domkapitel verlief z.T. sehr kontrovers. Ich verteidigte unser Konzept so gut es ging. Schließlich meinte der GV zu Bischof Franz-Xaver hingewandt: “So, Herr Bischof, Sie haben die letzte Entscheidungsgewalt. Wie lautet Ihr Urteil?” – Bischof Franz-Xaver Eder sagte: “Lassen wir sie‘s halt machen, das Rondell!”
Damit war die Sache durch – zumindest fürs erste…Es sollten noch genug Stolpersteine folgen…
GG:
Der Wettbewerb und dessen Teilnehmer waren ja z.T. nicht unbedingt teamfähig?
JW:
Der verlangte Künstlerwettbewerb wurde völlig korrekt ausgeschrieben; die Teilnehmer waren der Jury ja nicht bekannt, es sollte alles anonym bleiben.
Unter dem Jury-Vorsitz des Bildhauers Friedrich Koller wählten wir unter den wenigen eingereichten und durchweg nicht wirklich überzeugenden Vorschlägen den “besten” aus. Der Künstler hieß Prof. Auer und war aus Wien. Er hatte ausgesprochenermaßen kein Interesse an unserer Maxime, für die Neugestaltung eine Synthese aus Altem und Neuem zu finden, d.h. das alte teilweise wiederherzustellen und mit dem Neuen in spannender Weise zu integrieren. Auer wollte lediglich seine liturgischen Orte in der Kirche platzieren, hatte aber an dem von mir/uns anvisierten Gesamtkonzept kein Interesse.
Doch die Wahl war auf ihn gefallen.
Ich versuchte mein Bestes, ihn von unserem Ansatz zu überzeugen. Vergeblich. Ich brachte nicht ein einziges Mal einen Fuß in die Tür seiner Person.
Dieses Problem setzte mir so zu, dass ich eines Tages im Heilig-Geist-Restaurant bewusstlos zusammenbrach, während ich mit einem Gastchor (aus meiner niederbayrischen Wahlheimat Wittibreut) beim Mittagessen saß. Auf dieses Ereignis hin riet mir meine Mutter, die Zusammenarbeit mit Auer zu beenden. Sie hatte den Eindruck gewonnen, eine Fortsetzung würde ich nicht überleben.
Ich teilte nach einigem Nachdenken den maßgeblichen Personen meinen Entschluss mit und sagte: “Entweder ich trete von meinem Amt als Pfarrer von St. Anton zurück oder wir entziehen Prof. Auer den Auftrag.”
Die Herren des PGR, der KV und des Diözesanbauamts gingen auf mich ein und handelten entsprechend. Glücklicherweise hatte Prof. Auer einen gravierenden Fehler bei seinem Entwurf übersehen, so dass aus der Rücknahme des Auftrags weder juristische noch finanzielle Folgen entstanden.
Dann verlangte ich, dass der zweite Wettbewerb nicht anonym abgehalten werden sollte. Ich wollte auf jeden Fall die Künstler vor der Entscheidung, d.h. bei der Bewerbung kennen lernen. Auch darauf ging die Diözese ein.
Wir luden also in Zusammenarbeit mit Diözesanbaumeister Lechner einige Künstler ein, Entwürfe zu erarbeiten und einer neuen Jury in einem halbstündigen Gespräch vorzustellen.
Diesmal war auch Friedrich Koller unter den eingeladenen Künstlern.
Er bekam für den Entwurf, der sich heute in St. Anton präsentiert und der nach wie vor eine unbezweifelbare Stimmigkeit und Gültigkeit hat, den Zuschlag.
Diese Entscheidung stellte sich als Segen für uns alle heraus. Friedrich Koller und ich arbeiteten kongenial zusammen.
GG:
Wie konnten Sie den Bischof und das Domkapitel überzeugen?
JW:
Bei der Anhörung durch das Domkapitel kam merkwürdige Argumente gegen die Neugestaltung, etwa: “Bei dieser Anordnung ist der Priester nicht mehr der Anführer des Volkes Gottes.” oder “Da versammelt man sich ja um eine imaginäre Mitte statt um Christus” usw.
Ich begegnete solchen Argumenten mit dem, was ich von der Communio-Theologie gelernt hatte und betonte vor allem, dass Christus ja bereits in der versammelten Gemeinde (“Wo zwei oder drei…Mt 18,20) anwesend ist und dass das II. Vaticanum gerade die “actuosaparticipatio” des Volkes Gottes bei der Feier der hl. Eucharistie fördern wollte. Diese tätige Teilnahme sei nun gerade beim communio-Modell viel besser möglich als bei der klassischen Frontalstruktur oder “Omnibus-Anordnung”. Die Gegenwart Christi realisiere sich eben gerade nicht in der Äußerlichkeit des Vorne oder Hinten, Oben oder Unten, sondern im Geist und Verhalten der feiernden Gemeinde.
Dass “das Domkapitel” überzeugt war, scheint mir fraglich. Einige vielleicht schon, die Mehrheit wohl eher nicht. Es war unser Konzept schon ein zukunftsweisender Ansatz, der die Tradition hinter sich ließ und auch die hierarchische Struktur prinzipiell erübrigte.
Entscheidend war das Votum des Bischofs, und der stand dieser innovativen Neugestaltung offen gegenüber. Seine Stärke zeigte sich – was seinem Nachfolger bekanntlich zuwider war – immer wieder darin, dass er etwas Neues, Ungewohntes zulassen konnte (sofern es katholisch war) ohne deshalb das Bewährte über Bord zu werfen.
GG:
Wie kamen Sie an den Künstler Friedrich Koller?
JW:
Nicht ich kam an den Künstler, sondern Dombaumeister Lechner kannte ihn bereits. Alles Weitere s.o.
GG:
Wie konnten Sie Diözesanbaumeister Lechner überzeugen?
JW:
Josef Lechner war selbst ein moderner Architekt; Entwürfe von ihm und deren Ausführungen belegen seine fortschrittliche Denkweise. Es brauchte nicht viel, ihn zu überzeugen: er war sofort “mit im Boot”.
Leider verstarb er viel zu früh; vermutlich hätte er mit dem Nachfolger von Bischof Eder sowieso nicht zusammenarbeiten können.
GG:
Wie konnten Sie Architekt Hiendl von Ihrer Idee überzeugen?
JW: Herr Hiendl jr. ist liturgietheologischer Laie. Es ging von Anfang an nicht darum, ihn zu überzeugen. Er sollte und durfte an unserem Projekt mitwirken und durchaus auch seine Ideen einbringen – was er dann ja auch gewinnbringend für die Verwirklichung unseres Vorhabens tat. Als Architekt hatte er aber vor allem ausführende Tätigkeiten und Leistungen zu erbringen (z.B. was den Einbau der neuen Heizung betraf oder die Begrenzung der Seitenkapellen zum mittelschiffigen Feierraum hin).
GG:
Wie waren Ihre Gedanken, als die Kirche fertig umgebaut war und Bischof Eder den neuen Altar salbte und die umgebaute Kirche neu weihte?
JW:
Die Kirche musste nicht neu geweiht werden; leidglich die liturgischen Orte bedurften einer Weihe bzw. Benediktion.
An meine Gedanken erinnere ich mich nicht mehr.
Ich war froh, dass wir alle es geschafft hatten, das Communio-Modell in dieser gültigen Weise zu realisieren; dass ich dabei nicht unter die Räder gekommen war; dass sich viele neue liturgische Möglichkeiten ergaben; dass die Synthese von Bestehenden und Neuem so schön gelungen war.
Die Arbeit des Liturgen begann ja jetzt erst so richtig: diesen neuen Raum und die neue Struktur so mit Leben zu füllen, dass zugleich die Würde des Gottesdienstes und ein zeitgenössisch-modernes Denken gewahrt bleiben würden.
Mit der Zeit wurde mir klar – und das ist eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Lebens: STRUKTUREN PRÄGEN MENTALITÄTEN.
P.S. 2002 war ich zu einem Liturgiekongress nach Münster eingeladen, um dort über unsere Erfahrungen mit dem Communio-Modell zu referieren. Bei einer der Veranstaltungen wurde ein Schreiben der Vatikanischen Litrugie-Kongregation projiziert, aus dem hervorging, dass Kirchenräume nicht länger gemäß dem Communio-Modell umgestaltet werden dürfen, weil die damit verbundene Anordnung “nicht der hierarchischen Struktur der Kirche” entspreche.
© Dr. Josef Wimmer © Gustav Gaisbauer, © Pfarrei St. Anton