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Interviews zum Umbau St. Anton

Inter­view Koller

R. Gus­tav Gaisbauer:

Inter­view mit Herrn Fried­rich Koller

Frei­tag, der 26.02.1999, 09.17 — 10.35 Uhr

Pfarr­haus St. Anton, Antoniusmansarde

Neu­bur­ger Stra­ße 68

94032 Pas­sau

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GG

Herr Kol­ler, bit­te schil­dern Sie uns Ihren beruf­li­chen Werdegang.

FK

Ich begann 1956 an der Aka­de­mie der bil­de­nen Küns­te in Mün­chen das Stu­di­um als Bild­hau­er bei Prof. Hen­sel­mann, der auch in Pas­sau bekannt ist durch sei­ne Arbeit im Dom. Ich wur­de dann Meis­ter­schü­ler, dh. ich hat­te damit wäh­rend des Stu­di­ums mein eige­nes Ate­lier und mach­te dann mei­nen Abschluß als Diplom-Bildhauer.

Schon wäh­rend der letz­ten Semes­ter an der Aka­de­mie betei­lig­te ich mich an Wett­be­wer­ben und kam dadurch rela­tiv bald zu sehr inter­es­san­ten künst­le­ri­schen Aufgaben.

Nach dem Stu­di­um blieb ich in Mün­chen, fand dort bald ein geeig­ne­tes Ate­lier und erhielt dann auch gleich Auf­trä­ge von öffent­li­chen und kirch­li­chen Stellen.

Zuerst in der Erz­diö­ze­se Mün­chen-Frei­sing und gleich danach auch in der Diö­ze­se Passau.

In Pas­sau war mei­ne ers­te Arbeit die Aus­ge­stal­tung der Kapel­le im Haus der Jugend neben der Ves­te Oberhaus.

Bis 1970 leb­te ich in Mün­chen und über­sie­del­te dann mit mei­ner Fami­lie nach Lau­fen an der Salz­ach, wo wir auch heu­te noch leben. Dort grün­de­te ich ein neu­es Ate­lier. Die Fami­lie wur­de grö­ßer und die Auf­ga­ben wuch­sen eben­falls. Ich bekam Auf­trä­ge aus ganz Bay­ern, auch aus Würt­tem­berg und aus Salzburg.

In letz­ter Zeit war ich an St.Jodok in Lands­hut tätig. Etwa gleich­zei­tig eine Arbeit, die mir sehr viel Freu­de berei­te­te war die Gestal­tung der Kir­che in Schöll­nach, sowie die in Eppenschlag.

Des wei­te­ren wich­tig im sakra­len Bereich waren die Frau­en­kir­che am Haupt­markt in Nürn­berg, dann die Basi­li­ka Ulrich und Afra in Augs­burg und in Bam­berg die Kar­me­li­ten­kir­che.
Es waren immer die Gestal­tun­gen der Chor­räu­me, der Altä­re und Ambo­nen. Nicht zu ver­ges­sen im Augs­bur­ger Dom das Grab für die Weih­bi­schö­fe. In der Kir­che Maria unterm Kreuz in Königs­bronn bei Augs­burg ging es um die gesamt­künst­le­ri­sche Gestal­tung.
Das war eine sehr umfang­rei­che Arbeit. Wie auch in der Kir­che Maria Heim­su­chung in Sonthofen.

Eine für mich sehr wich­ti­ge Arbeit war für die Kir­che Hei­li­ge Fami­lie am Prenz­lau­er Berg in Ber­lin. Kurz nach der Wen­de wur­de ich zu einem klei­nen Wett­be­werb ein­ge­la­den und mit der Durch­füh­rung beauf­tragt und konn­te so die ers­ten Jah­re der Wie­der­ver­ei­ni­gung in Ber­lin haut­nah miterleben.

Mein letz­ter Auf­trag war in mei­ner Hei­mat­ge­mein­de Lau­fen in der schö­nen, goti­schen Stifts­kir­che, Altar und Ambo. Davor in Berch­tes­ga­den in der Stifts­kir­che eine ähn­li­che Aufgabe.

Das sind aus­schnitts­wei­se Orte, an denen ich sehr viel als Bild­hau­er gear­bei­tet habe. Mit den Archi­tek­ten, Gemein­den und Bau­äm­tern ergab sich dabei stets eine sehr gute Zusam­men­ar­beit, die den hohen künst­le­ri­schen Ansprü­chen in unse­rer Kir­che hof­fent­lich gerecht wurden.

Zu erin­nern ist an zwei gro­ße Aus­stel­lun­gen, zum einen im Bil­dungs­haus St.Virgil in Salz­burg, sowie im Diö­ze­san­mu­se­um in Freising.

GG

Wie ver­ste­hen Sie sich sel­ber als Künst­ler? In wel­cher Tra­di­ti­on ste­hen Sie?

FK

Frei und doch gebun­den. Gebun­den durch unse­re Kul­tur, in der ich ger­ne lebe, die ich erfah­re und die mich auch mit prägt. Frei, in dem ich mich suchend auch an die Rän­der die­ser Kul­tur begebe.

GG

Was sind Ihre künst­le­ri­schen Vor­lie­ben, was Ihre Vorbilder?

FK

Vor­bil­der sind auf jeden Fall die anony­men Meis­ter, Kunst­wer­ke archai­scher Her­kunft, aber auch Wer­ke unse­rer Zeit. Vor­bild ist der Mensch in Bezug auf unse­re gemein­sa­me Mitte.

GG

Arbei­ten Sie lie­ber für Sakral- oder Profanbauten?

FK

Nach­dem man sich wünscht, daß die gan­ze Welt sakral ist, kann ich da fast kei­nen Unter­schied machen. In mei­ner Arbeit zeich­net sich klar ab, daß ich eine enor­me Hin­wen­dung zum Sakral­bau emp­fin­de. Das hängt auch damit zusam­men, daß die Leu­te, mit denen ich da zu tun habe, sehr auf­ge­schlos­sen sind und in die­sem Zusam­men­klang das jewei­li­ge Pro­jekt bes­ser zu rea­li­sie­ren ist.

GG

War­um haben Sie sich jetzt für die Reno­vie­rung unse­rer Pfarr­kir­che inter­es­siert?
Ist die­ses Kon­zept für Sie eine beson­de­re Herausforderung?

FK

Ja, die­ses Kon­zept ist für mich eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung. In ähn­li­cher Art habe ich bis­her noch kaum einen Raum gestal­tet. Schon bei der Schil­de­rung die­ses Kon­zep­tes habe ich Feu­er gefan­gen und dann mit gro­ßer Freu­de erfah­ren, daß sich die Pfarr­ge­mein­de für mich als Künst­ler ent­schie­den hat.

GG

Es wird ja dabei nicht nur ver­sucht, die Feh­ler zwei­er vor­an­ge­gan­ge­ner Reno­vie­run­gen zu besei­ti­gen, son­dern neue lit­ur­gi­sche Mög­lich­kei­ten in die bestehen­den räum­li­chen Vor­ga­ben zu inte­grie­ren. Was möch­ten Sie uns mit Ihrer Lösung mit­tei­len bzw. vermitteln?

FK

Das macht die Sache noch etwas schwie­ri­ger, um nicht ein drit­tes mal etwas ver­kehrt zu machen. Ganz ohne Feh­ler wird sicher unse­re Arbeit auch nicht sein. Aber alle Betei­lig­ten bemü­hen sich auf’s äus­sers­te, die Raum­scha­le, so wie sie zu ihrer Bau­zeit kon­zi­piert wur­de, wie­der so her­zu­stel­len, daß eine Ein­heit vor­han­den ist zwi­schen der Archi­tek­tur und der Far­big­keit, die auf die Innen­haut auf­ge­bracht wur­de. Alles, was an lit­ur­gi­schen Ein­rich­tun­gen neu errich­tet wird, soll dage­gen echt ein Kind unse­rer Zeit sein, zum Ende unse­res Jahr­tau­sends enstan­den in der Hoff­nung, daß sie auch weit in das nächs­te Jahr­tau­send hin­ein bestehen kön­nen.
Noch wich­ti­ger ist natür­lich, daß die prak­ti­zie­ren­de Gemein­de ein Feld fin­det, in dem sie gut Got­tes­dienst fei­ern kann, in dem sich auch eine star­ke Spi­ri­tua­li­tät in dem vor­han­de­nen Raum und über die Kult­ge­gen­stän­de ent­wi­ckeln kann.

GG

Schil­dern Sie uns bit­te, viel­leicht auch an einem Bei­spiel, war­um Sie sich dabei gera­de so und nicht anders ent­schie­den haben.

FK

Eine gro­ße Hil­fe war für mich auch, daß ich beim Pro­be­got­tes­dienst dabei war, daß ich erlebt habe, wie fas­zi­nie­rend es ist, wenn sich die Gemein­de in einem Oval um Altar und Ambo ver­sam­melt. Damals gab es ja auch noch die­se Insel, die Altar und Ambo einer­seits ver­bun­den, ande­rer­seits aber auch aus­ge­son­dert hat. Nach die­sem Ein­druck bin ich zu der Über­zeu­gung gelangt, daß es rich­tig ist, den Altar als eige­ne Zone in Span­nung zu set­zen zum Ambo und sei­ner eige­nen Zone. Daß zwi­schen Altar und Ambo eine gro­ße Ver­bin­dung zu Spü­ren ist, daß aber ande­rer­seits nicht die Kir­che durch eine Altar­in­sel, die bei­des ver­bin­det, getrennt wird und dadurch wie­der die Nähe“ gestört wird. Wei­ters war natür­lich auch die Absicht, für eine gewis­se Viel­falt der Got­tes­dienst­ge­stal­tung zu sor­gen. Dazu war es nötig, daß man um den Ambo ste­hen kann. Es ist denk­bar, daß bei der Ver­kün­di­gung die Gemein­de nicht nur auf­steht, son­dern sich ste­hend um den Ambo ver­sam­melt oder daß eine klei­ne­re Ver­samm­lung sich direkt um den Altar fin­det. Daß sich zB. mit beweg­li­chem Gestühl ein klei­ner Kreis direkt um den Altar ver­sam­meln kann. Alle die­se Gedan­ken und Über­le­gun­gen haben letzt­end­lich zu die­sem Ent­wurf geführt, im Zusam­men­klin­gen der neu gestal­te­ten Tei­le mit dem vor­han­de­nen Raum.
Dadurch war es auch not­wen­dig, eine gewis­se Tren­nung oder auch Ver­bin­dung zwi­schen dem neu­en Ver­samm­lungs­raum und dem alten Chor­raum mit dem wie­der erstell­ten Hoch­al­ter und Taber­na­kel zu finden.Dazu soll der Kreuz­vor­hang die­nen. Er soll einen Hin­ter­grund und ruhi­gen Abschluß des Ovals dar­stel­len, aber auch den Men­schen, die zur Anbe­tung zum Taber­na­kel kom­men, ein Schutz wie­der­um sein, aber nicht den Raum zer­tren­nen, son­dern in sehr trans­pa­ren­ter Wei­se die­sen bei­den Anfor­de­run­gen gerecht werden.

GG

In wel­chem Zusam­men­hang steht die Reno­vie­rung unse­rer Pfarr­kir­che mit Ihren ande­ren Tätig­kei­ten? Ist es für Sie ein künst­le­ri­scher Wen­de­punkt, der Ihre künf­ti­gen Arbei­ten beein­flus­sen wird?

FK

Sicher ist St.Anton eine mar­kan­te Sta­ti­on in mei­ner gesam­ten Arbeit.
Es ist aber so, daß jede gro­ße Auf­ga­be von den Vor­gän­gern auch wie­der beein­flußt ist und auch die nach­fol­gen­den Auf­ga­ben beein­flus­sen wird. Ich befin­de ich mich in einer gewis­sen Kon­ti­nui­tät, die aber immer wie­der durch neue Erleb­nis­se und Visio­nen ver­wan­delt wird.

GG

Herr Kol­ler, ich dan­ke sehr herz­lich für das Gespräch.


© Fried­rich Kol­ler und © Gus­tav Gais­bau­er, © Pfar­rei St. Anton

Inter­view Lechner

R. Gus­tav Gaisbauer:

Inter­view mit Herrn Dipl.-Ing. Josef Lech­ner, Diözesanbaumeister

Frei­tag, der 01.03.1999, 16.20 — 18.00 Uhr

Diö­ze­san­bau­amt, Büro Herrn Lechner

Dom­platz 3

94032 Pas­sau

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GG

Herr Lech­ner, bit­te schil­dern Sie uns Ihren beruf­li­chen Werdegang.

JL

Dazu muß ich etwas wei­ter aus­ho­len. Ich stam­me aus Inns­bruck und habe in Wien an der Aka­de­mie Archi­tek­tur stu­diert. 1972 bin ich dann nach Bay­ern gekom­men und habe da mei­ne beruf­li­che Tätig­keit begon­nen. Ich habe in Land­au an der Isar in einem gro­ßen Archi­tek­tur­bü­ro gear­bei­tet, danach noch in ande­ren Büros und bin dann 1981 zum Land­bau­amt Pas­sau über­ge­wech­selt und dort dann bis 1993 die Ver­ant­wor­tung für Pla­nun­gen und Gestal­tun­gen von staat­li­chen Gebäu­den in den Land­krei­sen Pas­sau und Deg­gen­dorf. Ich konn­te bei die­sen Gele­gen­hei­ten gro­ße Bau­maß­nah­men durch­füh­ren ua. die Trink­was­ser­tal­sper­re in Frau­en­au, das Was­ser­wirt­schafts­amt und das Amts­ge­richt in Deg­gen­dorf. Das waren sehr schö­ne Tätig­kei­ten beim Staat. 1993 kam dann der Wech­sel zum Diö­ze­san­bau­amt. Mich hat damals die­se Auf­ga­ben­stel­lung gereizt und ich war und bin sehr froh und dank­bar, daß man sich für mich als Diö­ze­san­bau­meis­ter ent­schie­den hat.
Hier geht die Auf­ga­ben­stel­lung natür­lich mehr in die sakra­le Richtung.

GG

War­um kamen Sie nach Bayern?

JL

Ich habe mei­ne Frau hier in Pas­sau ken­nen gelernt und bin des­we­gen von Wien hier­her gezo­gen und füh­le mich mitt­ler­wei­le sehr wohl in Niederbayern.

GG

Da Sie in bei­den Lagern gear­bei­tet haben: wie sehen Sie den Unter­schied zwi­schen pro­fa­ner und sakra­ler Archi­tek­tur? Wie ver­ste­hen Sie sich als Diözesanbaumeister?

JL

Ich sehe den Unter­schied gar nicht so dra­ma­tisch. Es ist bei­des sehr eng ver­bun­den. Man kann kei­nen kla­ren Tren­nungs­strich zie­hen. Es kann auch ein pro­fa­nes Gebäu­de sehr viel Inhal­te trans­por­tie­ren und das ist das ent­schei­den­de. Ein Gebäu­de hat nicht nur eine Funk­ti­on zu erfül­len, son­dern muß auch Inhal­te und geis­ti­ge Wer­te ver­mit­teln. Das ist natür­lich bei einem sakra­len Bau­werk noch stär­ker aus­ge­prägt. Das ist auch, was mich an die­sem Beruf so fas­zi­niert. Daß man nicht nur das bau­tech­ni­sche beherrscht, son­dern daß man auch bemüht ist, geis­ti­ge Inhal­te umzu­set­zen. Da ist es nicht nur damit getan, daß etwas funk­tio­niert, son­dern es muß auch eine Bot­schaft transportieren.Diözesanbaumeister ist damit mehr als ein nor­ma­ler Bau­meis­ter, weil man auch eine Glau­bens­über­zeu­gung bau­lich umset­zen muß und es auch atmo­sphä­risch den Nut­zern die­ser Gebäu­de gut gehen soll.

GG

In wel­cher Tra­di­ton ste­hen Sie?

JL

Es gibt eine gan­ze Rei­he von Bau­leu­ten, die für die Kir­che gear­bei­tet haben. Von den Anfän­gen der Mensch­heit her haben Bau­meis­ter Kult­bau­ten errich­tet und das zieht sich bis in unse­re Tage. Ob es die Pyra­mi­den der Ägyp­ter waren oder die Tem­pel­bau­ten der Grie­chen und Römer, immer waren die­se Kult­bau­ten beson­de­re Bau­ten, die dann auch in der Archi­tek­tur­ge­schich­te ihren Platz gefun­den haben.
Sie müs­sen län­ger­le­big sein, sie müs­sen län­ge­re Archi­tek­tur­gül­tig­kei­ten haben.
Jedes kirch­li­che Gebäu­de hat eine Geschich­te. Man­che gehen schon etli­che Jahr­hun­der­te zurück, ande­re sind neue­ren Datums. Gera­de die­se Geschich­te auf­zu­spü­ren und in die­ser Tra­di­ti­on wei­ter zu machen, denn heu­ti­gen Bedürf­nis­sen und lit­ur­gi­schen Vor­stel­lun­gen den Kir­chen­raum anzu­pas­sen, aber trotz­dem in die­ser Tra­di­ti­on zu blei­ben, hier nicht Brü­che zu schaf­fen, scheint mir eine ganz gro­ße und wich­ti­ge Her­aus­for­de­rung für mei­nen Beruf zu sein.
Ich möch­te das an einem Bei­spiel erläu­tern: es gab Zei­ten gro­ßer Mari­en­ver­eh­rung in der Kir­che, dann gerie­ten ver­schie­de­ne Hei­li­ge mehr in das Ram­pen­licht oder sich die Lit­ur­gie­for­men ver­än­dert haben und zB bei der Oster­nacht oder an Weih­nach­ten beson­de­re Aus­for­mun­gen erleb­ten.
Mit der Zeit wur­den Tei­le ver­än­dert, wur­de was zurück­ge­baut oder dazu­ge­setzt. Das ist ein per­ma­nen­ter Ent­wick­lungs­pro­zeß. Eine Kir­che ist nie etwa fes­tes, blei­ben­des, sta­ti­sches, son­dern der Dyna­mik und Leben­dig­keit des Glau­bens und der Glau­bens­ge­mein­schaft, not­wen­dig ist, unter­wor­fen. Die­ses Gefühl bei den Umge­stal­tun­gen von Kir­chen hin­ein­zu­brin­gen ist eine sehr sehr inter­es­san­te Auf­ga­be und etwas, was bei weni­gen ver­gleich­ba­ren Beru­fen mög­lich ist.

GG

Was gefällt Ihnen bes­ser: Roma­nik, Gotik, Barock oder Renaissance?

JL

Die­se Fra­ge stellt sich mir nicht. Ich gehe immer davon aus, wie stim­mig ist alles.
Wie wur­de die Idee des Bau­meis­ters umge­setzt. Wie kon­se­quent war er und wie ver­stand er es, das Gebäu­de als Bot­schaft rüber­zu­brin­gen. Das konn­ten die Bau­meis­ter aller die­ser genann­ten Epo­chen. Es ist immer die Kon­se­quenz, daß man die Geis­tes­hal­tung in For­men setzt und dann hat ein Gebäu­de Bestand und dann habe ich nicht mehr zu wäh­len, was ist mir lie­ber. Ich zie­he vor jeder Kon­se­quenz und vor jedem bis ins letz­te durch­dach­ten Gebäu­de den Hut und das gilt auch für unse­re Zeit. Ein moder­nes Gebäu­de kann auch geis­ti­ge Inhal­te ver­mit­teln, wenn es durch­dacht ist. Das ist, glau­be ich, das verbindende.

GG

Sie haben also kei­ne beson­de­re Affi­ni­tät zu einer bestimm­ten Stilrichtung?

JL

Ich füh­le mich in einem goti­schen Raum genau­so wohl wie in jedem einer ande­ren Stil­rich­tung. Natür­lich habe ich in einem goti­schen Raum eine ande­re Emp­fin­dung wie zB. In einem roma­ni­schen, aber das ist nicht qua­li­ta­tiv zu wer­ten; es ist nur anders. In einer goti­schen Kir­che ist sozu­sa­gen die See­le nach oben gerich­tet durch die Architektur…

GG

nach dem Mot­to näher zu Dir, mein Gott“

JL

Ja, es ist alles ver­ti­kal aus­ge­legt. Das ergibt eine bestimm­te Atmo­sphä­re. Der ent­zieht sich kaum jemand. Sicher gibt es Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Domen. Und natür­lich gibt es Unter­schie­de zum baro­cken Emp­fin­den. Das ist etwas völ­lig ande­res. Wenn Sie zB in einer Barock­kir­che wie der Wies­kir­che sind, da spürt man die Hei­ter­keit, es ist die Freu­de am Gestal­ten erkenn­bar. Das ist ein ganz ande­res Lebens­ge­fühl, das sich hier durch die Archi­tek­tur ver­mit­telt. Genau­so kann man das bei der Roma­nik erken­nen, das Schwe­re, das Erd­haf­te. Das ist auch bei den ande­ren Stil­for­men so. Bei der Renn­ais­sance stand der Mensch im Mit­tel­punkt, wur­de die Huma­ni­tät dar­ge­stellt und auf die grie­chi­schen Ursprün­ge zurück gegrif­fen. Das erzeugt immer wie­der ande­re atmo­sphä­ri­sche Situa­tio­nen. Die Emp­fin­dung des Betrach­ters wird immer wie­der in eine ande­re Rich­tung gelei­tet. Die­se sind aber weder bes­ser oder schlech­ter, son­dern eben anders. So viel­schich­tig wie heu­te das mensch­li­che Emp­fin­dungs­ver­mö­gen ist, so ist auch die Architektur.

GG

Was sind Ihre Vor­lie­ben, was Ihre Vorbilder?

JL

Wich­tig ist mir, daß das Schaf­fen einen geis­ti­gen Hin­ter­grund hat, daß etwas tie­fe­res hin­ter dem steht, was an For­men, Far­ben und Atmo­sphä­ri­schem geschaf­fen wer­den soll. Das kann an einem Sakral­raum sehr viel bes­ser her­aus­ge­ar­bei­tet wer­den, als das bei einem Pro­fan­bau, einem Zweck­bau, der Fall ist.
Vor­bil­der sind Gebäu­de, die in sich stim­mig sind, die eine Geis­tes­hal­tung kon­se­quent wei­ter­ge­ben können.

GG

Sie haben sich des­halb für Sakral­bau­ten entschieden?

JL

Es ist nicht so, daß ich nur Sakral­bau­ten mache. Ich habe auch sehr vie­le ande­re Objek­te zu betreu­en und zu behan­deln. Das geht vom Pfarr­zen­trum bis Fried­hofs­ge­stal­tung oder zu irgend­wel­chen Nutz­ge­bäu­den wie Pfarr­häu­sern, Pfar­rer­woh­nun­gen bis eben natür­lich zu Kapel­len und Kirchen.

GG

Das heißt, auf irgend­ei­ne Art und Wei­se ist der Diö­ze­san­bau­meis­ter in jede Bau­maß­nah­me der Diö­ze­se involviert?

JL

Ja, vor allem auch, weil jede Kir­chen­ver­wal­tung, die eine Bau­maß­nah­me durch­füh­ren will, eine stif­tungs­auf­sicht­li­che Geneh­mi­gung braucht. Das geschieht über das Diö­ze­san­bau­amt. Es bin­det auch die nöti­gen Fach­stel­len, die noch zu betei­li­gen sind, mit ein. Das kann z.B. das Lan­des­amt für Denk­mal­pfle­ge sein, das Land­rats­amt oder bei einer Stadt das Stadt­bau­amt.
Inso­fern wird hier alles gebün­delt und ent­schie­den, ob es in eige­ner Regie durch­ge­führt wird, oder ob Archi­tek­tur­bü­ros oder Künst­ler betei­ligt wer­den.
Von unse­rer Sei­te aus sind die Ver­tei­lun­gen die­ser Arbei­ten durchzuführen.

GG

Pla­nen Sie sel­ber auch?

JL

Ja, wir machen sehr vie­le Eigen­pla­nun­gen. Das ist sehr wich­tig, denn nur wenn wir sel­ber bau­en, kön­nen wir Ande­ren auch über die Schul­ter schau­en und sind tech­nisch auf immer auf dem lau­fen­den. Die letz­te grö­ße­re Bau­maß­nah­me war der Umbau des Exer­zi­ti­en­hau­ses oben bei Maria­hilf.
Das Diö­ze­san­bau­amt ist immer die ers­te Ansprech­stel­le für die Kir­chen­ver­wal­tun­gen. Das hat auch den Vor­teil, daß sie für die Pla­nun­gen durch das Diö­ze­san­bau­amt kei­ne Hono­ra­re zu zah­len hat. Müs­sen frei­schaf­fen­de Archi­tek­ten und Künst­ler ein­ge­schal­tet wer­den, fal­len ja doch erheb­li­che Hono­ra­re an.
Soweit wir es per­so­nell schaf­fen, wer­den wir des­halb immer die Sachen hier im Hau­se bear­bei­ten, sei es bei Neu­bau­ten, aber auch bei Unter­hal­tungs­maß­nah­men.
Wir haben eine Rei­he sehr qua­li­fi­zier­ter Sach­be­ar­bei­ter, die schon vie­le Jah­re in die­ser Mate­rie tätig sind und die sich spe­zi­ell im Kir­chen­bau schon viel­fäl­ti­ge Erfah­rung ange­eig­net haben.

GG

Wie sieht der Arbeits­tag eines Diö­ze­san­bau­meis­ters aus?

JL

Es ist sehr viel Ver­wal­tungs­ar­beit hin­sicht­lich der Geneh­mi­gungs­we­ge, die bei jedem Bau­vor­ha­ben not­wen­dig sind. Dann die Bau­maß­nah­men, die vom Diö­ze­san­bau­amt geplant und eigen­ver­ant­wort­lich durch­ge­führt wer­den.
Das ist sehr viel Ent­wurfs- und Detail­ar­beit. Dann natür­lich die Bau­lei­tungs­tä­tig­kei­ten. An mei­nem Schreib­tisch ent­ste­hen vie­le Plä­ne.
Zuerst ist natür­lich die Idee, die muß dann umge­setzt wer­den. Das sind in ers­ter Linie Frei­hand­zeich­nun­gen, die dann an den 2 CRT- Arbeits-plät­zen — das ist das com­pu­ter­un­ter­stütz­te Zeich­nen — hier im Hau­se umge­setzt wer­den. Line­al und Reiß­schie­ne kom­men nur mehr sel­ten vor.
Es kom­men sehr vie­le Bera­tungs­tä­tig­kei­ten bei den Kir­chen-ver­wal­tun­gen dazu. Da muß zuerst die Auf­ga­ben­stel­lung defi­niert wer­den. Dann wer­den Emp­feh­lun­gen aus­ge­spro­chen hin­sicht­lich Umge­stal­tung, auch bei lit­ur­gi­schen Umge­stal­tun­gen wie jetzt in St.Anton. Das ist ein sehr brei­tes Feld. Aber auch Bera­tun­gen bei künst­le­ri­schen Aus­stat­tun­gen, bei der Bei­zie­hung von Künst­lern, bei deren direk­ter Beauf­tra­gung oder der Gestal­tung von Wett­be­wer­ben. Dies geschieht auch in Zusam­men­ar­beit mit dem Kunst­re­fe­rat. Auf die­se Wei­se wird auch der Ver­such gemacht, neue Geis­tes­hal­tun­gen in unse­re Kunst­wer­ke rein zu bekommen. 

Auch hier kann St. Anton als Bei­spiel genannt wer­den. Wir haben da immer sehr gute Erfah­run­gen gemacht. Wenn man das alles zusam­men­zählt, sieht man, daß die Arbeits­zeit eines Diö­ze­san-bau­meis­ters ziem­lich aus­ge­füllt ist. Mein Pri­vat­le­ben beschränkt sich auf sehr weni­ge Stun­den, die ich dafür umso inten­si­ver genie­se. Ich habe vier Kin­der. Die haben auch ein Recht dar­auf, daß die Fami­lie intakt ist und bleibt und die Arbeit nicht alles auffrißt.

GG

Erzäh­len Sie uns Ihre Auf­ga­ben­stel­lung bei der Reno­vie­rung von St.Anton.

JL

Das ist eine ganz beson­de­re Bau­maß­nah­me. Da kom­men zwei Sachen zusam­men. Das eine ist, daß die Kir­che, die ja um die Jahr­hun­dert­wen­de gebaut wor­den ist, in den Sieb­zi­ger Jah­ren ziem­lich redu­ziert und die Atmo­sphä­re sehr schlicht, eher abwei­send wur­de. Mit der Reno­vie­rung wol­len wir den Ver­such wagen, die ursprüng­li­che Far­big­keit und Archi­tek­tur wie­der her­aus zu arbei­ten. Das war die eine Sei­te, die ande­re Sei­te war das neue lit­ur­gi­sche Kon­zept. Hier kam in der Per­son, des Herrn Pfr. Dr.Wimmer, ein Mann auf uns zu, der sehr kon­kre­te Vor­stel­lun­gen in die­ser Rich­tung ent­wi­ckelt hat­te, die neu, aber fas­zi­nie­rend in ihrer Kon­se­quenz waren. Ich war von Anfang an sehr ange­tan von die­sen Ideen. Es hat mich auch gereizt, sie umzu­set­zen. Des­halb habe ich mich auf die­sen Weg ein­ge­las­sen. Ich bereue es nicht und bin der Mei­nung, daß wir hier ein sehr inter­es­san­tes und vor allem auch trag­fä­hi­ges Kon­zept für die Zukunft ent­wi­ckelt haben. Es wird sich zei­gen, wenn die Kir­che ein­ge­weiht wird, daß hier eine neue Spi­ri­tua­li­tät, eine neue Form der Gemein­schaft und der Lit­ur­gie­fei­er mög­lich wird. Ich bin ziem­lich sicher, daß die­ses Modell, die­ses Objekt in der gan­zen Bun­des­re­pu­blik Schu­le machen wird.

Die Ellip­sen­lö­sung ist das Schlag­wort, das uns immer wie­der bewegt hat. Ich habe die gan­ze Dís­kus­si­on ja haut­nah mit­er­lebt. Ich war auch bei den drei Pro­be­got­tes­diens­ten dabei. All das hat mich dar­in bestärkt, daß wir auf den rich­ti­gen Weg sind, auch wenn sehr vie­le ande­rer Mei­nung waren. Ich will jetzt das gar nicht wie­der auf­wär­men, son­dern das posi­ti­ve her­aus­strei­chen: die Ein­be­zie­hung der Gläu­bi­gen in das Gesche­hen. Das ist bei einer Ellip­sen­lö­sung sehr, sehr viel stär­ker als bei bis­he­ri­gen Modellen.

GG

Das Ellip­sen­mo­dell paßt in die bestehen­de Raum­scha­le unse­rer Kir­che so gut hin­ein, als hät­te der dama­li­ge Archi­tekt Schott schon die heu­ti­ge Lösung im Auge gehabt und die bis­he­ri­ge Bestuh­lung und lit­ur­gi­sche Anord­nung sei nur ein Pro­vi­so­ri­um gewesen.

JL

Es ist eigen­ar­tig. Schott hat eine Wege­kir­che gebaut, sie aber so aus­ge­führt, daß sie einem Zen­tral­bau näher kommt. Viel­leicht hat er damals schon gespürt, daß der Raum auch ganz anders genutzt wer­den kann.
Zen­tral­bau­ten gab es frü­her auch schon, aber die Lit­ur­gie war noch nicht soweit, um sol­che For­men nut­zen zu kön­nen. Die Vor­ga­be von Schott kann mit der jet­zi­gen Lösung viel bes­ser umge­setzt wer­den. Schott mach­te damals eine Elyp­se, sie wur­de aber nicht als sol­che genutzt, son­dern in der damals übli­chen Längs­form.
Viel­leicht war es der archi­tek­to­ni­sche Spiel­trieb, der Schott einen Raum schaf­fen ließ, der nach sei­nem Emp­fin­den Atmo­sphä­re brachte.

GG

Gibt es bei ande­ren Schott­kir­chen vergleichbares?

JL

Schott hat meis­ter­haft alle mög­li­chen Bau­sti­le beherrscht. Er beherrsch­te sie teil­wei­se bes­ser, als die his­to­ri­schen Archi­tek­ten sel­ber. Er hat neu­ro­ma­nisch, neu­go­tisch, neu­ba­rock gebaut und auch Jugend­stil-Ele­men­te ver­wen­det. Er war ein außer­ge­wöhn­li­cher Archi­tekt, der sich nie auf einen Stil fest­le­gen konn­te. Er hat sich aus allen Sti­len das für ihn bes­te her­aus­ge­holt und geni­al mit­ein­an­der verbunden.

GG

Da kann man nur hof­fen, daß die Reno­vie­rung ein Ergeb­nis zei­tigt, das auch Schott begeis­tern würde.

JL

Der Raum wird jetzt stim­mig mit der Lit­ur­gie. Das ist eine Beson­der­heit, die jetzt auf St.Anton zutrifft. Sowas könn­te man nicht belie­big in jeder ande­ren Kir­che umset­zen.
Bei einem nor­ma­len Lang­schiff wäre es nicht mög­lich.
Es war bei St.Anton eine ein­ma­li­ge Chan­ce. Des­we­gen konn­ten wir auch so über­zeu­gen. Wir set­zen die neu­en lit­ur­gi­schen Vor­stel­lun­gen, die beim 2. Vati­ka­ni­schen Kon­zil ent­stan­den sind, jetzt kon­se­quent um.
Er ist für uns alle jetzt ein span­nen­der Moment. Wir haben einen Raum, der um die Jahr­hun­dert­wen­de erdacht und dann erbaut wur­de, haben ihn jetzt wie­der in sei­ner Far­big­keit und Orna­men­tik frei gelegt und set­zen jetzt Kunst­schaf­fen aus unse­rer Epo­che dazu: Altar, Ambo, das Gestühl, das aus unse­rer Zeit kommt, hat auch unse­re Hand­schrift und For­men­spra­che. Es wer­den zwei Epo­chen in Span­nung zuein­an­der gesetzt. Ich erwar­te es mit Freu­de und bin sehr zuver­sicht­lich. Ich habe es ein­gangs schon erwähnt. Wenn man ganz kon­se­quent einen Gedan­ken ver­folgt, hat er Bestand.
Wir set­zen die Raum­scha­le ganz kon­se­quent nach den Vor­stel­lun­gen des Bau­meis­ters wie­der zurück und set­zen ganz bewußt unse­re Zeit dazu. Das ist dann kei­ne Kon­kur­renz, son­dern die Fol­ge einer his­to­ri­schen Ent­wick­lung. Es wäre nicht gut gewe­sen, das jetzt alles in Jugend­stil­for­men nach­zu­emp­fin­den. Der Wett­be­werb zeig­te, daß vie­le Künst­ler die­se Vor­stel­lun­gen hat­ten. Die Jury hat­te aber die kla­re Vor­stel­lung, daß es wich­tig ist, unse­re Zeit zu doku­men­tie­ren für die Tei­le, die neu zu schaf­fen sind. Das was schon da ist, wol­len wir kon­se­quent in der Form brin­gen, wie sie damals in Far­be und Orna­men­tik vor­ge­se­hen war.

GG

Eine Syn­the­se herzustellen!

JL

Genau, das ist unser Ziel. Da sehe ich eine ganz kla­re Kon­se­quenz dahin­ter.
Wie hat sich der neue Schöp­fer mit dem ande­ren aus­ein­an­der­ge­setzt. Hat er das bloß nach­emp­fun­den oder über­ge­stülpt, oder sich ganz klar für was Neu­es entschieden?

GG

Sie haben eine sehr tie­fe Ver­bun­den­heit zu Kir­che und Glauben.

JL

Ja, als Minis­trant habe ich das sehr haut­nah mit­er­lebt. Spä­ter beim Stu­di­um habe ich mir immer wie­der kirch­li­che Pro­jek­te vor­ge­nom­men. Mei­ne Diplom­ar­beit war der Ent­wurf für eine Klos­ter­an­la­ge. Ich habe dazu sogar einen Kar­mel gewählt. Kar­mel­klös­ter sind die strengs­ten Klös­ter, da sind die ein­zel­nen Mön­che ganz iso­liert. Die­se Bau­maß­nah­me hat mich damals sehr fas­zi­niert.
Ein wei­te­res Stu­di­en­ob­jekt war ein Pfarr­zen­trum.
In der Zeit von 1972 bis 1993 war natür­lich das kirch­li­che Bau­en weni­ger in mei­nem Bereich, aber es war nie ganz aus­ge­klam­mert. Es gibt auch Kir­chen­ob­jek­te, die der Staat zu betreu­en hat. Ich konn­te da auch an eini­gen Maß­nah­men mit­ar­bei­ten wie zB. der Pfarr­hof in Rott­hal­müns­ter oder die Basi­li­ka in Nie­der­al­taich und ent­spre­chen­de Erfah­run­gen sam­meln. Auch in mei­ner Hei­mat­pfar­rei war ich immer in sol­che Maß­nah­men ein­ge­bun­den. Mein neu­er Auf­ga­ben­be­reich hat mich dadurch nicht unvor­be­rei­tet getrof­fen. Ich habe die­se Chan­ce, die mir da gebo­ten wur­de, ger­ne ange­nom­men und sie auch ganz bewußt getroffen.

GG

Steht die Reno­vie­rung von St.Anton in Zusam­men­hang mit Ihren ande­ren Tätig­kei­ten und hat sie einen Ein­fluß auf Ihre künf­ti­gen Arbeiten?

JL

Sie ist für mich ein beson­ders gro­ßes The­ma. Für mich ist wich­tig, daß wir hier augen­fäl­lig eine Lit­ur­gie­form prä­sen­tie­ren und ich wer­de alles dar­an set­zen, daß die­se neu­en, guten Gedan­ken auch Ein­zug in ande­re Kirch­ge­n­ge­stal­tun­gen fin­den.
Ob das nun immer die Ellip­sen­lö­sung sein wird, oder nicht, sei dahin­ge­stellt.
Daß man bereit ist, über sol­che neu­en Gedan­ken zu spre­chen, neh­me ich mit für ande­re Objekte.

GG

Herr Lech­ner, ich dan­ke sehr herz­lich für das Gespräch.


© Josef Lech­ner und © Gus­tav Gais­bau­er, © Pfar­rei St. Anton

Inter­view
zum The­ma Neu­ge­stal­tung der St. Anton-Kir­che in Pas­sau”


Fra­gen von Gus­tav Gais­bau­er per Email an Dr. Josef Wim­mer (26.06.2019)


GG:
Sie waren doch schon als Prak­ti­kant in unse­rer Pfar­rei tätig. Was war Ihr ers­ter Ein­druck von der Kir­che?

JW:
Als Prak­ti­kant war ich in ers­ter Linie im Bereich der Seel­sor­ge und des Reli­gi­ons­un­ter­richts tätig. Die Kir­che mach­te kei­nen beson­de­ren Ein­druck auf mich. Ich emp­fand sie als spi­ri­tu­ell wenig aus­sa­ge­kräf­tig.


GG:
Wann und war­um haben Sie sich als Nach­fol­ger von Prä­lat Joseph Krum­bach­ner bewor­ben?

JW:
Mei­ner Erin­ne­rung nach habe ich mich erst bewor­ben, nach­dem Bischof Franz-Xaver Eder mich tele­fo­nisch dazu auf­ge­for­dert hat­te und mir zusag­te, mir das Amt des Pfar­rers von St. Anton anver­trau­en zu wol­len.


GG:
Als Sie als Pfar­rer instal­liert waren: wann reif­te bei Ihnen der Ent­schluss, dass die Umbau­ten nach dem 2. Vati­ca­num rück­ge­baut bzw. die Kir­che umge­baut wer­den müs­se, um die lit­ur­gi­schen Mög­lich­kei­ten, die Archi­tekt Schott schon bei der Erbau­ung ange­bo­ten hat­te, end­lich zu rea­li­sie­ren?

JW:
Zunächst ein­mal: die nach den nach dem II. Vati­ca­num vor­ge­nom­me­nen Umbau­ten ent­spra­chen kon­se­quent der damals gesamt­kirch­lich vor­ge­nom­me­nen Lit­ur­gie­re­form, die natür­lich auch vom Zeit­geist mit­be­stimmt wur­de (wie stets bei Ver­än­de­run­gen in der Kir­che).
Das neue Aus­se­hen der Kir­che soll­te hel­fen, sich auf das Wort Got­tes und auf die gemein­schaft­li­che Fei­er der Hl. Eucha­ris­tie zu kon­zen­trie­ren, die laut Lumen­Gen­ti­um 11 Quel­le und Höhe­punkt des gan­zen christ­li­chen Lebens” ist. Die dama­li­ge Reno­vie­rung war also ein Ver­such der Kon­zen­tra­ti­on auf das Wesent­li­che des Glau­bens­le­bens.
Ob Schott bereits zu Anfang des 20. Jahr­hun­dert die lit­ur­gi­schen Mög­lich­kei­ten sah, die St. Anton seit der Neu­ge­stal­tung Ende des Jahr­hun­derts mög­lich wur­den, sei dahin­ge­stellt.
Mein Wunsch, die Kir­che neu zu gestal­ten, reif­te tat­säch­lich über län­ge­re Zeit. Ers­tens war sie im Innern seit den 70er Jah­ren ziem­lich ange­graut, und das gefiel mir nicht. Zwei­tens hat­te – nost­al­gi­schen Bedürf­nis­sen fol­gend – inzwi­schen aller­hand Figür­li­ches und Bild­li­ches wie­der Ein­zug gehal­ten, was die Nüch­tern­heit der nach­kon­zi­lia­ren Gestal­tung nicht nur reli­giö­sen Stim­mungs­wer­ten wei­chen ließ, son­dern auch ihr kon­zen­trie­ren­des Momen­tum wie­der auf­weich­te: wenn vier Madon­nen im Abstand von weni­gen Metern auf­ge­reiht ste­hen oder hän­gen, wird jeder Ver­such, Chris­tus ins Zen­trum der Got­tes­ver­eh­rung zu stel­len, kon­ter­ka­riert. Drit­tens litt ich dar­un­ter, dass der Pries­ter­sitz so weit von der Gemein­de ent­fernt war. Ich erkann­te von mei­nem Platz aus die eben zum Haupt­ein­gang her­ein­kom­men­den Teil­neh­mer gar nicht! Auch nach­dem ich den Pries­ter­sitz der Gemein­de räum­lich ange­nä­hert hat­te, ver­än­der­te sich nichts Sub­stan­zi­el­les.
Der Aus­fall der maro­den Hei­zung kam mir letzt­end­lich zu Hil­fe. Mir war klar, dass wir eine neue Hei­zung brau­chen wür­den. Da ergab es sich fast von selbst, dass wir in die­ser Lage auch eine Gesamt­re­no­vie­rung durch­füh­ren soll­te. Dafür ent­schied ich mich dann 1996/97 (wenn ich mich recht erin­ne­re) rela­tiv schnell – ohne zu ahnen, was da auf mich zukom­men wür­de…


GG:
Hat­ten Sie von Anfang an den Gedan­ken zur spä­ter rea­li­sier­ten Ellip­sen­form?

JW:
Die Idee dazu kam mir in der Kir­che. Nach­dem ich beschlos­sen hat­te, die Gesamt­re­no­vie­rung zu initi­ie­ren, setz­te ich mich eines Tages in die Kir­che und ließ mei­nen Sin­nen und Gedan­ken frei­en Lauf. Da fiel mir der ova­le Grund­riss des Mit­tel­schiffs auf. Ich hat­te zu der Zeit noch kei­ne Ahnung von so etwas wie Ellip­sen­mo­dell” oder Com­mu­nio­mo­dell” – befass­te ich mich doch noch gar nicht mit dem The­ma Kir­chen­raum­ge­stal­tung, nicht ein­mal lit­ur­gie­theo­lo­gisch oder kunst­his­to­risch.
Der ova­le Grund­riss des Mit­tel­schiffs leg­te mich rein raum­struk­tu­rell nahe, die Bank­rei­hen im Oval anzu­ord­nen und die Sit­ze für den/​die Pries­ter und den lit­ur­gi­schen Dienst in die­se Ellip­se zu inte­grie­ren – ein wenig her­vor­ge­ho­ben viel­leicht, aber ganz und gar ein­ge­baut in die Form.
Logi­scher­wei­se muss­ten bei die­ser Anord­nung der Bank­rei­hen die Orte für Altar und Ambo – Tisch des Bro­tes” und Tisch des Wor­tes”, wie es so schön theo­lo­gisch-bild­haft heißt – inner­halb der Ellip­se ange­ord­net sein. Dafür kamen nur die bei­den geo­me­tri­schen Brenn­punk­te die­ser Struk­tur in Fra­ge.
Mit die­ser Visi­on war für mich das Kon­zept schon gezeugt”! Der Rest war Arbeit an der Ver­wirk­li­chung!


GG:
Wie nah­men die Pfar­rei­gre­mi­en die­se Gedan­ken auf? Wie konn­ten Sie sie über­zeu­gen?

JW:
Als ers­tes besprach ich mich mit dem dama­li­gen Kir­chen­pfle­ger, Herrn Reit­z­ner. Er konn­te mei­ne Gedan­ken­gän­ge gut nach­voll­zie­hen und war auf­grund sei­ner ganz dem Geist des II. Vati­canums ent­spre­chen­den Glau­ben­s­ein­stel­lung von mei­ner Visi­on sehr ange­tan. Das gleich gilt für den dama­li­gen PGR-Vor­sit­zen­den Vitus Donau­bau­er. Er hat­te ohne­hin schon das Logo Mit­ein­an­der-Für­ein­an­der” für die Pfar­rei aus­ge­ge­ben und war am der umstruk­tu­rie­ren­den Neu­ge­stal­tung des Kir­chen­raums sehr inter­es­siert; er sicher­te mir sei­ne vol­le Unter­stüt­zung zu.
Die bei­den Vor­sit­zen­den der aus­schlag­ge­ben­den Gre­mi­en in St. Anton über­zeug­ten dann gemein­sam mit mir auch die übri­gen Mit­glie­der vom KV und PGR – zumin­dest was die offi­zi­el­le” Sei­te der Zustim­mung anbe­lang­te. Inof­fi­zi­ell gab es ver­mut­lich noch man­che Zwei­fel und Unsi­cher­hei­ten, die sich vor allem auf die Tat­sa­che bezo­gen, dass in die­ser Anord­nung die Got­tes­dienst­teil­neh­mer sich fron­tal vor Augen haben…


GG:
Wie nahm das Ordi­na­ri­at die­se Gedan­ken auf?

JW:
Das Ordi­na­ri­at” waren in die­sem Fall der Diö­ze­san­bau­meis­ter Josef Lech­ner und der zustän­di­ge Dom­ka­pi­tu­lar und Bau- und Kunst­re­fe­rent Franz Seraph Gabri­el; auch der für die Lit­ur­gie zustän­di­ge Ent­schei­dungs­trä­ger, des­sen Name mir nicht mehr ein­fällt, muss­te ein­be­zo­gen wer­den.
Mit die­sen Her­ren nahm ich Kon­takt auf. Herr Lech­ner war sehr an mei­ner inno­va­ti­ven Visi­on inter­es­siert und unter­stütz­te sie vom ers­ten Moment an. Inzwi­schen wuss­te ich ja auch durch einen Hin­weis von Fritz Sei­bold auf einen Arti­kel in der Zeit­schrift Christ in der Gegen­wart”, dass mei­ne Vor­stel­lung einer dem Oval des Haupt­schiffs ange­pass­ten Anord­nung der Bank­rei­hen und der mit­tig bipo­la­ren Posi­ti­on von Altar und Ambo in der Lit­ur­gie­wis­sen­schaft bereits vor­han­den ist und den Namen Com­mu­nio-Modell” oder Ellip­sen-Modell” trägt. Damit hat­te ich natür­lich eine wei­te­re Argu­men­ta­ti­ons­hil­fe.
Mit gro­ßem Gewinn such­te ich den Bon­ner Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­ler auf, der die­sen Arti­kel ver­fasst hat­te, sich für die­ses stär­ker an der Com­mu­nio der Gläu­bi­gen ori­en­tier­te Kir­chen­raum­mo­dell stark mach­te und die theo­lo­gi­schen Begrün­dun­gen dafür lie­fer­te.
Auch den für das Bau- und Kunst­we­sen zustän­di­gen Dom­ka­pi­tu­lar konn­te ich schließ­lich gewin­nen. Schwie­ri­ger war es, den Lit­ur­gi­ker” zu über­zeu­gen.

Dann war da ja auch noch Gene­ral­vi­kar Hütt­ner, der sich weder dafür noch dage­gen aus­sprach, aber eher skep­tisch schien. Er ver­lang­te zunächst eine Abstim­mung der Gre­mi­en und der Pfarr­ge­mein­de zu die­sem Vor­ha­ben. Die ers­te die­ser Abstim­mun­gen fiel posi­tiv aus; ihr Ergeb­nis reich­te aber dem GV nicht, so dass wir noch zwei wei­te­re Male – zuletzt mit einer dem Com­mu­nio-Modell ent­spre­chen­den ver­suchs­wei­sen Anord­nung von Stüh­len und lit­ur­gi­schen Orten in der bereits leer­ge­räum­ten Kir­che. Auch die zwei­te und vor allem drit­te Abstim­mung fiel zuguns­ten der Neu­ge­stal­tung aus.
GV Hütt­ner reich­te das immer noch nicht. Mit den Wor­ten Wie ihr abstimmt, inter­es­siert uns nicht. Ent­schei­den tun immer noch wir.” lud er mich vor das Dom­ka­pi­tel, damit ich dort Rede und Ant­wort ste­he…
Einen Pfar­rei­ver­tre­ter soll­te ich nicht mit­neh­men dür­fen.
Die Anhö­rung und Debat­te im Dom­ka­pi­tel ver­lief z.T. sehr kon­tro­vers. Ich ver­tei­dig­te unser Kon­zept so gut es ging. Schließ­lich mein­te der GV zu Bischof Franz-Xaver hin­ge­wandt: So, Herr Bischof, Sie haben die letz­te Ent­schei­dungs­ge­walt. Wie lau­tet Ihr Urteil?” – Bischof Franz-Xaver Eder sag­te: Las­sen wir sie‘s halt machen, das Ron­dell!”
Damit war die Sache durch – zumin­dest fürs erste…Es soll­ten noch genug Stol­per­stei­ne fol­gen…


GG:
Der Wett­be­werb und des­sen Teil­neh­mer waren ja z.T. nicht unbe­dingt team­fä­hig?

JW:
Der ver­lang­te Künst­ler­wett­be­werb wur­de völ­lig kor­rekt aus­ge­schrie­ben; die Teil­neh­mer waren der Jury ja nicht bekannt, es soll­te alles anonym blei­ben.
Unter dem Jury-Vor­sitz des Bild­hau­ers Fried­rich Kol­ler wähl­ten wir unter den weni­gen ein­ge­reich­ten und durch­weg nicht wirk­lich über­zeu­gen­den Vor­schlä­gen den bes­ten” aus. Der Künst­ler hieß Prof. Auer und war aus Wien. Er hat­te aus­ge­spro­che­ner­ma­ßen kein Inter­es­se an unse­rer Maxi­me, für die Neu­ge­stal­tung eine Syn­the­se aus Altem und Neu­em zu fin­den, d.h. das alte teil­wei­se wie­der­her­zu­stel­len und mit dem Neu­en in span­nen­der Wei­se zu inte­grie­ren. Auer woll­te ledig­lich sei­ne lit­ur­gi­schen Orte in der Kir­che plat­zie­ren, hat­te aber an dem von mir/​uns anvi­sier­ten Gesamt­kon­zept kein Inter­es­se.
Doch die Wahl war auf ihn gefal­len.
Ich ver­such­te mein Bes­tes, ihn von unse­rem Ansatz zu über­zeu­gen. Ver­geb­lich. Ich brach­te nicht ein ein­zi­ges Mal einen Fuß in die Tür sei­ner Per­son.
Die­ses Pro­blem setz­te mir so zu, dass ich eines Tages im Hei­lig-Geist-Restau­rant bewusst­los zusam­men­brach, wäh­rend ich mit einem Gast­chor (aus mei­ner nie­der­bay­ri­schen Wahl­hei­mat Wit­tib­reut) beim Mit­tag­essen saß. Auf die­ses Ereig­nis hin riet mir mei­ne Mut­ter, die Zusam­men­ar­beit mit Auer zu been­den. Sie hat­te den Ein­druck gewon­nen, eine Fort­set­zung wür­de ich nicht über­le­ben.
Ich teil­te nach eini­gem Nach­den­ken den maß­geb­li­chen Per­so­nen mei­nen Ent­schluss mit und sag­te: Ent­we­der ich tre­te von mei­nem Amt als Pfar­rer von St. Anton zurück oder wir ent­zie­hen Prof. Auer den Auf­trag.”
Die Her­ren des PGR, der KV und des Diö­ze­san­bau­amts gin­gen auf mich ein und han­del­ten ent­spre­chend. Glück­li­cher­wei­se hat­te Prof. Auer einen gra­vie­ren­den Feh­ler bei sei­nem Ent­wurf über­se­hen, so dass aus der Rück­nah­me des Auf­trags weder juris­ti­sche noch finan­zi­el­le Fol­gen ent­stan­den.
Dann ver­lang­te ich, dass der zwei­te Wett­be­werb nicht anonym abge­hal­ten wer­den soll­te. Ich woll­te auf jeden Fall die Künst­ler vor der Ent­schei­dung, d.h. bei der Bewer­bung ken­nen ler­nen. Auch dar­auf ging die Diö­ze­se ein.
Wir luden also in Zusam­men­ar­beit mit Diö­ze­san­bau­meis­ter Lech­ner eini­ge Künst­ler ein, Ent­wür­fe zu erar­bei­ten und einer neu­en Jury in einem halb­stün­di­gen Gespräch vor­zu­stel­len.
Dies­mal war auch Fried­rich Kol­ler unter den ein­ge­la­de­nen Künst­lern.
Er bekam für den Ent­wurf, der sich heu­te in St. Anton prä­sen­tiert und der nach wie vor eine unbe­zwei­fel­ba­re Stim­mig­keit und Gül­tig­keit hat, den Zuschlag.
Die­se Ent­schei­dung stell­te sich als Segen für uns alle her­aus. Fried­rich Kol­ler und ich arbei­te­ten kon­ge­ni­al zusam­men.


GG:
Wie konn­ten Sie den Bischof und das Dom­ka­pi­tel über­zeu­gen?

JW:
Bei der Anhö­rung durch das Dom­ka­pi­tel kam merk­wür­di­ge Argu­men­te gegen die Neu­ge­stal­tung, etwa: Bei die­ser Anord­nung ist der Pries­ter nicht mehr der Anfüh­rer des Vol­kes Got­tes.” oder Da ver­sam­melt man sich ja um eine ima­gi­nä­re Mit­te statt um Chris­tus” usw.
Ich begeg­ne­te sol­chen Argu­men­ten mit dem, was ich von der Com­mu­nio-Theo­lo­gie gelernt hat­te und beton­te vor allem, dass Chris­tus ja bereits in der ver­sam­mel­ten Gemein­de (“Wo zwei oder drei…Mt 18,20) anwe­send ist und dass das II. Vati­ca­num gera­de die actuo­sa­par­ti­ci­pa­tio” des Vol­kes Got­tes bei der Fei­er der hl. Eucha­ris­tie för­dern woll­te. Die­se täti­ge Teil­nah­me sei nun gera­de beim com­mu­nio-Modell viel bes­ser mög­lich als bei der klas­si­schen Fron­tal­struk­tur oder Omni­bus-Anord­nung”. Die Gegen­wart Chris­ti rea­li­sie­re sich eben gera­de nicht in der Äußer­lich­keit des Vor­ne oder Hin­ten, Oben oder Unten, son­dern im Geist und Ver­hal­ten der fei­ern­den Gemein­de.
Dass das Dom­ka­pi­tel” über­zeugt war, scheint mir frag­lich. Eini­ge viel­leicht schon, die Mehr­heit wohl eher nicht. Es war unser Kon­zept schon ein zukunfts­wei­sen­der Ansatz, der die Tra­di­ti­on hin­ter sich ließ und auch die hier­ar­chi­sche Struk­tur prin­zi­pi­ell erüb­rig­te.

Ent­schei­dend war das Votum des Bischofs, und der stand die­ser inno­va­ti­ven Neu­ge­stal­tung offen gegen­über. Sei­ne Stär­ke zeig­te sich – was sei­nem Nach­fol­ger bekannt­lich zuwi­der war – immer wie­der dar­in, dass er etwas Neu­es, Unge­wohn­tes zulas­sen konn­te (sofern es katho­lisch war) ohne des­halb das Bewähr­te über Bord zu wer­fen.


GG:
Wie kamen Sie an den Künst­ler Fried­rich Kol­ler?

JW:
Nicht ich kam an den Künst­ler, son­dern Dom­bau­meis­ter Lech­ner kann­te ihn bereits. Alles Wei­te­re s.o.


GG:
Wie konn­ten Sie Diö­ze­san­bau­meis­ter Lech­ner über­zeu­gen?

JW:
Josef Lech­ner war selbst ein moder­ner Archi­tekt; Ent­wür­fe von ihm und deren Aus­füh­run­gen bele­gen sei­ne fort­schritt­li­che Denk­wei­se. Es brauch­te nicht viel, ihn zu über­zeu­gen: er war sofort mit im Boot”.
Lei­der ver­starb er viel zu früh; ver­mut­lich hät­te er mit dem Nach­fol­ger von Bischof Eder sowie­so nicht zusam­men­ar­bei­ten kön­nen.


GG:
Wie konn­ten Sie Archi­tekt Hiendl von Ihrer Idee über­zeu­gen?

JW: Herr Hiendl jr. ist lit­ur­gie­theo­lo­gi­scher Laie. Es ging von Anfang an nicht dar­um, ihn zu über­zeu­gen. Er soll­te und durf­te an unse­rem Pro­jekt mit­wir­ken und durch­aus auch sei­ne Ideen ein­brin­gen – was er dann ja auch gewinn­brin­gend für die Ver­wirk­li­chung unse­res Vor­ha­bens tat. Als Archi­tekt hat­te er aber vor allem aus­füh­ren­de Tätig­kei­ten und Leis­tun­gen zu erbrin­gen (z.B. was den Ein­bau der neu­en Hei­zung betraf oder die Begren­zung der Sei­ten­ka­pel­len zum mit­tel­schif­fi­gen Fei­er­raum hin).


GG:
Wie waren Ihre Gedan­ken, als die Kir­che fer­tig umge­baut war und Bischof Eder den neu­en Altar salb­te und die umge­bau­te Kir­che neu weih­te?

JW:
Die Kir­che muss­te nicht neu geweiht wer­den; leid­glich die lit­ur­gi­schen Orte bedurf­ten einer Wei­he bzw. Bene­dik­ti­on.

An mei­ne Gedan­ken erin­ne­re ich mich nicht mehr.
Ich war froh, dass wir alle es geschafft hat­ten, das Com­mu­nio-Modell in die­ser gül­ti­gen Wei­se zu rea­li­sie­ren; dass ich dabei nicht unter die Räder gekom­men war; dass sich vie­le neue lit­ur­gi­sche Mög­lich­kei­ten erga­ben; dass die Syn­the­se von Bestehen­den und Neu­em so schön gelun­gen war.
Die Arbeit des Lit­ur­gen begann ja jetzt erst so rich­tig: die­sen neu­en Raum und die neue Struk­tur so mit Leben zu fül­len, dass zugleich die Wür­de des Got­tes­diens­tes und ein zeit­ge­nös­sisch-moder­nes Den­ken gewahrt blei­ben wür­den.
Mit der Zeit wur­de mir klar – und das ist eine der wich­tigs­ten Erkennt­nis­se mei­nes Lebens: STRUK­TU­REN PRÄ­GEN MEN­TA­LI­TÄ­TEN.

P.S. 2002 war ich zu einem Lit­ur­gie­kon­gress nach Müns­ter ein­ge­la­den, um dort über unse­re Erfah­run­gen mit dem Com­mu­nio-Modell zu refe­rie­ren. Bei einer der Ver­an­stal­tun­gen wur­de ein Schrei­ben der Vati­ka­ni­schen Litru­gie-Kon­gre­ga­ti­on pro­ji­ziert, aus dem her­vor­ging, dass Kir­chen­räu­me nicht län­ger gemäß dem Com­mu­nio-Modell umge­stal­tet wer­den dür­fen, weil die damit ver­bun­de­ne Anord­nung nicht der hier­ar­chi­schen Struk­tur der Kir­che” entspreche.

© Dr. Josef Wim­mer © Gus­tav Gais­bau­er, © Pfar­rei St. Anton